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Reichenhaller Bergwacht blickt auf Rekord-Einsatzjahr zurück

Doppelbelastung durch 79 Einsätze und zeitintensive Bauarbeiten an der neuen Rettungswache.

Die Reichenhaller Bergwacht war 2012 parallel zu den zeitintensiven Bauarbeiten an ihrer neuen Rettungswache bei 79 teilweise sehr schweren und auch gefährlichen Einsätzen gefordert – so viele wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Bereitschaftsleiter Dr. Klaus Burger und sein bisheriger Stellvertreter Christian Schieder berichteten bei der Jahreshauptversammlung zusammen mit Anwärter-Ausbilder Markus Furtner und Kassenwart Werner Thaler vom vergangenen, besonders ereignisreichen Einsatz- Ausbildungs- und Veranstaltungsjahr und zeichneten im neuen Gebäude an der Reichenbachstraße neun sehr verdiente Bergwachtmänner aus.

Sieben Bergtote im Einsatzleitbereich Saalachtal
Bergsport ist Trendsport, weshalb immer mehr Menschen Tag und Nacht im alpinen Gelände unterwegs sind und die Bergwacht auch immer mehr Einsätze bewältigen muss. 2012 gab es sieben Bergtote im 430 Quadratkilometer großen Einsatzleitbereich Saalachtal, der von der Bergwacht Bad Reichenhall und den unterstützenden Bergwachten Teisendorf-Anger und Freilassing betreut wird. Die Bergwacht Teisendorf-Anger verfügt mittlerweile über ein eigenes Einsatzgebiet und ist speziell für den besonders hoch frequentierten Teisenberg zuständig, wird aber von Bad Reichenhall personell mit Einsatzkräften und der Einsatzleitung unterstützt.

Einsatzschwerpunkte am Staufen und im Lattengebirge
30 der 79 Einsätze wurden 2012 mit Hubschrauber-Unterstützung abgewickelt, wobei es auffällig oft schlecht Wetter war und die Piloten mit schwierigen Flugbedingungen zu kämpfen hatten. „Bergrettung ohne ehrenamtliche Luftrettung wie fast durchgängig bei unseren österreichischen Nachbarn halte ich für schlecht, zumal die Ehrenamtlichen die örtlichen Verhältnisse im Gelände und den Wänden bestens kennen, die Hubschrauber-Rettung mit Tau oder Winde fordert und für die Ehrenamtlichen auch einen wesentlichen Motivationsfaktor darstellt“, erklärte Burger. „Auffällig waren die besonders vielen Winter-Einsätze im sonst für das Einsatzgeschehen in Bad Reichenhall eher ruhigerem Zeitraum von Januar bis April, gleich mehrere schwere Mountainbike-Unfälle, vor allem am Teisenberg, reale und fiktive Gleitschirm-Abstürze, Lichtquellen aller Art und viele Nachteinsätze“, ergänzte Burgers bisheriger Stellvertreter Christian Schieder. Besonders oft war die Bergwacht im vergangenen Jahr auch bei Sucheinsätzen gefordert; mindestens drei Menschen gelten im mittleren Landkreis noch immer als vermisst. Am Meisten war die Bergwacht mit jeweils zwölf Einsätzen im Mai und August gefordert. 23 Mal mussten die Retter am Staufen Hilfe leisten, gefolgt vom Lattengebirge (21), Einsätzen auf Wanderwegen und Straßen im Tal (9), Teisenberg (6), Zwiesel (4), Fuderheuberg (3), Reiteralm (3), Untersberg (3), Ristfeuchthorn (3), Müllnerhörndl (2) und Götschen (2). Dabei waren auch kuriose Anforderungen dabei: „2011 mussten wir zwei Hunde aus alpinem Gelände retten, 2012 haben wir zwei Katzen mit dem Rettungsset für abgestürzte Gleitschirm-Piloten aus Bäumen geholt, die die Feuerwehr mit Leitern nicht mehr erreichen konnte“, erklärte Schieder.

Breites Einsatzspektrum
Besondere Einsätze waren im Januar der Lawinenunfall mit einem schwer Verletzten in der Schreckrinne, im Februar die Rettung einer Tourengeherin bei arktischen Verhältnissen aus der Alpgartenrinne und ein schwerer Rodelunfall unterhalb der Moaralm, im März und April eine große Suchaktion am Kachelstein bei Neukirchen und zwei Katzenrettungen in Bayerisch Gmain und Reichenhall, im Mai die Lawine unterhalb der Stoißer Alm und die Rettung eines Kindes vom Jagersteig am Hochstaufen nach einem erneuten Wintereinbruch. Im Juni mussten die Bergretter nach dem tödlichen Hubschrauberabsturz am Teisenberg die Trümmer aus den Bäumen bergen und fünf Einsätze während der Einweihung ihrer neuen Bergrettungswache abwickeln. „Im Sommer und Herbst hatten wir mit den üblichen Rettungen in den heimischen Bergen zu tun. Im Winter forderten uns umfangreiche und zeitaufwendige Suchaktionen. Wir hätten in Zukunft auch gern wieder ein eigenes Skigebiet am Predigtstuhl, den wir lieben, und wo wir als Kinder unter richtig alpinen Bedingungen das Skifahren gelernt haben“, sagte Burger. Er lobte abschließend die gelungene Zusammenarbeit mit den Nachbar-Bergwachten Freilassing und Teisendorf-Anger im Einsatzleitbereich Saalachtal und dankte den anderen Einsatzorganisationen, insbesondere der Polizei und den Hubschrauber-Besatzungen, für das „gute Miteinander in einem engen Netz aus Partnern“.

Eigene Rettungswache fertiggestellt
„Der Bau unserer eigenen Rettungswache lief wie am Schnürchen und in einer Rekordzeit von nur sieben Monaten, mit oder trotz all der vielen administrativen und bürokratischen Verpflichtungen, Leistungen und Hürden“, sagte Burger, der den Bürgern, Firmen, Lokalpolitikern und allen Gemeindevertretern für ihre ideelle und finanzielle Unterstützung sehr nachhaltig dankte. Großartiger und feierlicher Schlusspunkt des dreijährigen, intensiven und teilweise nervenaufreibenden Projekts waren die Einweihungsfeier und der Tag der offenen Tür mit über 4.000 Besuchern im Juni. Neben Einsätzen, Übungen, vielen sozialen Aktivitäten und dem Neubau-Projekt ist die Reichenhaller Bergwacht mittlerweile auch ein gefragter Gastgeber und Veranstalter von Fachtagungen: 2012 besichtigten verschiedenste Gruppen die neue Rettungswache und informierten sich über den Bergrettungsdienst, darunter Kindergärten und Schulen, ukrainische Ferienkinder, Heeresbergführer und Rechtsanwälte, Kollegen der österreichischen Bergrettung, eine Delegation von Einsatzpiloten einer Hubschrauberstaffel aus der Nähe von Baku in Aserbaidschan, internationale Teilnehmer der europäischen Frontex-Gebirgsflugfortbildung und einflussreiche Stiftungsräte und Protagonisten der alpinen Verbände. „Diese Veranstaltungen schulden wir auch den Leuten, die uns so sehr unterstützt haben“, erklärte Burger. Auch die Kameradschaft kam 2012 nicht zu kurz und wurde neben den vielen Stüberlabenden unter anderem bei einem Ausflug ins italienische Torbole im Oktober und vor zwei Wochen bei einem Skirennen am Hochschlegel gepflegt.

Die Bergwacht wurde zum mittelständischen Unternehmen
40 Aktive engagieren sich aktuell in der Reichenhaller Bergwacht ehrenamtlich, davon sind zwölf Einsatzleiter. Mit aktuell acht Anwärtern ist auch der Nachwuchs gesichert. „Wer nicht richtig mitmacht, wird nicht lange bei uns bleiben, weil er schnell merkt, dass er dann nicht dazugehört“, bemerkte Burger. Mittlerweile vier eigene Einsatzfahrzeuge, eine eigene Rettungswache mit Liegenschaft und die Törlschneid-Diensthütte müssen gepflegt, gewartet und verwaltet werden. „Ich bin als Bereitschaftsleiter dabei nur einer unter Vielen. Ohne Teamarbeit ist das Projekt Bergrettung Saalachtal nicht mehr zu bewältigen. Unsere Pflichten haben zugenommen und der Dienstbetrieb ist vielfältig und professionell zu leisten“, so Burger, der die Bergwacht zusammen mit seinem neuen Stellvertreter Stefan Strecker daher wie ein mittelständisches Unternehmen führen muss: Die Aufgaben sind umfangreich auf viele Schultern verteilt, wie ein Organigramm mit fast 30 Positionen vom Anwärter-Ausbilder über den Hüttenwart bis hin zum Internetbeauftragten belegt.

Trotz Neubau 18 Ausbildungstermine
Vor allem die Aus- und Fortbildung kostet die Ehrenamtlichen enorm viel Zeit, ist aber Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der oft sehr gefährlichen Einsätze. „Wir sind letztes Jahr alle bessere Handwerker geworden, haben aber trotz des Neubau-Projekts immerhin 18 Ausbildungstermine absolviert, nur vier weniger als im Vorjahr“, berichtete Anwärter-Ausbilder Markus Furtner stellvertretend für Ausbildungsleiter Hans Lohwieser. Durchschnittlich waren dabei 25 Einsatzkräfte anwesend. Das Patentrezept von Lohwieser und seinem Team: Viele medizinische Fallbeispiele und realitätsnahe Einsatzübungen, bei denen jede Menge alpine Techniken gefragt und möglichst alle Aktiven voll gefordert sind. Zusätzlich zu acht Echtübungen mit den verschiedenen Hubschrauberbetreibern absolvierten die Bergwacht-Luftretter an drei Tagen ihre Trainingsflüge am Hubschraubersimulator in Bad Tölz. Ein harter Weg ist seit der neuen Prüfungsordnung von 2009 die Anwärterausbildung; die Umstrukturierung sei aber notwendig gewesen, da der professionelle Auftrag der Bergwacht nun im neuen Bayerischen Rettungsdienstgesetz fest verankert ist. „Alle drei angetretenen Anwärter haben vor zwei Wochen die Wintersichtung bestanden“, freute sich Furtner. Zur Reichenhaller Bergwacht gehören auch Spezial-Einsatzkräfte wie Canyon-Retter und Hundeführer, die zusätzlich zur Ausbildung in der Bereitschaft weitere Fortbildungen organisierten.

Großes Interesse an Internetauftritt
„Der Bergwachtdienst ist eine selbst gewählte Aufgabe, es ist aber schon sehr bemerkenswert, was der Staat den Ehrenamtlichen alles aufbürdet“, sagte Burger. Vielfältige Fortbildungen wie Fahrsicherheitstraining für Blaulichtfahrten, zahlreiche Pistendienste am Götschen und Hilfestellung bei Gefährdungsbeurteilungen für Forst und Betriebe werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, forderten die Freiwilligen 2012 neben ihrer eigentlichen Arbeit aber zusätzlich. „Besonders stolz bin ich auf unseren Internetauftritt. Wir haben mittlerweile pro Tag rund 500 Aufrufe, hochgerechnet aufs Jahr sind das über 200.000. Dies ist keine kühle Zahl, sondern Ausdruck des Interesses an unserer Arbeit und Gemeinschaft und damit auch Anerkennung unserer Bereitschaft weit über die Landkreisgrenzen hinaus“, freute sich Burger und dankte Internetbetreuer Peter Windstoßer, Bergwacht-Pressesprecher Marcus Goebel und BRK-Pressesprecher Markus Leitner für ihre Arbeit. Dr. Burger, Bergwacht-Pressesprecher Goebel und Landrat-Stellvertreter Schaupp nahmen kein Blatt vor dem Mund und sprachen sich für das von privaten Fotografen in Frage gestellte Recht der Bergwacht aus, ihre Arbeit weiterhin nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber!“ in Text und Bildern in den Medien zu präsentieren. „Es ist grenzwertig, was hier von privater Seite gemacht wird. Lieber Markus Leitner, Du und Dein Team leistet mit Eurer seriösen Pressearbeit für die Öffentlichkeit Großartiges; bitte lasst Euch trotz der unfairen Angriffe nicht unterkriegen!“, sagte Schaupp und erntete anhaltenden Applaus der Bergretter und Ehrengäste.

Über 504.000 Euro für Neubau-Projekt
Die Kosten für den Betrieb der Bergrettungswache bewegten sich 2012 mit rund 55.000 Euro im üblichen Rahmen, wobei die Benutzungsentgelte für Einsätze in Höhe von rund 13.000 Euro zur Deckung nicht ausreichen würden. „Wir sind deshalb weiter auf treue Spender angewiesen“, erklärte Kassenwart Werner Thaler, der in seinem Jahresrückblick erstmals die gesamten Ausgaben für den Bau der neuen Bergrettungswache an der Reichenbachstraße präsentierte. Das Gebäude wurde komplett mit Spenden und Zuschüssen und durch Eigenleistung der Ehrenamtlichen verwirklicht. „Wir haben mit Null angefangen und mussten keinen Kredit aufnehmen. Trotzdem sind alle Rechnungen bezahlt, und wir haben eine Rücklage, um in schlechten Jahren die veranschlagten jährlichen Betriebskosten von 40 bis 45.000 Euro stemmen zu können.“ Insgesamt wurden für das Neubau-Projekt 504.445,63 Euro ausgegeben, davon 19.540 Euro für die Planung, 9.693,82 Euro für den Grunderwerb, 445,35 Euro für die Baugenehmigung, 18.691,77 Euro für die Erschließung des Grundstücks, 200.497,42 Euro für den Rohbau, weitere 145.223,04 Euro für den Ausbau, 66.145,90 Euro für die Außenanlagen, 1.567,83 Euro für den Naturschutz, 32.880,43 Euro für die Einrichtung, 6.762,41 Euro für die Fertiggaragen und den Carport und 2.997,67 Euro für sonstige Anschaffungen.

Lob der Ehrengäste
Sehr viele waren gekommen, um der Reichenhaller Bergwacht in ihrem neuen Zuhause für ihre Arbeit zu danken, darunter Landrat-Stellvertreter Rudi Schaupp, Bad Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner, der Schneizlreuther Bürgermeister Klaus Bauregger, Oberstleutnant Michael Herrmann von der Gebirgsjägerbrigade 23, die Polizeichefs von Bad Reichenhall und Berchtesgaden, Willi Bertlein und Günther Adolph, die Leiter der Bergwachten Freilassing und Teisendorf-Anger, Siegi Fritsch und Georg Wimmer, Pilot Eckhart Steinau und der leitendende BRK-Luftrettungsassistent Robert Portenkirchner vom Traunsteiner Rettungshubschrauber „Christoph 14“, Reichenhalls Feuerwehrkommandant Andreas Gabriel, BRK-Bereitschaftsleiter Florian Halter, DAV-Vorsitzender Christoph Sperger und DAV-Ehrenvorsitzender Alois Häusl. „Hut ab vor Eurer Zähheit bei diesem Neubauprojekt, das ihr selbst in Eigeninitiative verwirklicht habt“, lobte Oberbürgermeister Lackner. Landrat-Stellvertreter Schaupp dankte allen, die für das Haus gesammelt, gespendet und gegeben haben und erinnerte sich an die Herbergssuche der Bergwacht Berchtesgaden zu seiner Zeit als Markt-Bürgermeister.

Pressemitteilung BRK BGL

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