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Bergwacht Bad Reichenhall war bei 54 Einsätzen gefordert

Schwieriges & turbulentes Jahr: Neue Anwärter gesucht – Neubauprojekt brachte Ehrenamtliche an ihre Belastungsgrenze

Die aktuell 42 aktiven Männer und Frauen der Reichenhaller Bergwacht mussten 2010 zu insgesamt 54 Einsätzen ausrücken und haben sich bei unzähligen Aus- und Fortbildungen auf ihren oft schwierigen Dienst vorbereitet. Trotz der dadurch oft schon knappen Freizeit organisierten sie fortlaufend Benefiz- und Spendenprojekte für ihr Großprojekt, dem Bau einer neuen Bergrettungswache. Bei der Jahreshauptversammlung im Salzforum der Saline blickten der am Ende zurückgetretene Bereitschaftsleiter Urs Strozynski, sein Stellvertreter Christian Schieder, Ausbildungsleiter Stefan Strecker und Kassenwart Werner Thaler auf ein schwieriges und turbulentes Jahr zurück, denn ihr Weg zu einem neuen Zuhause ist steiniger als ursprünglich angenommen und konfrontierte einige der Ehrenamtlichen mit ihrer persönlichen Belastungsgrenze (wir berichteten).

Bergwacht sucht Nachwuchs: Wer kann klettern und gut Skifahren?
„Unser Personalstand ist derzeit gerade noch ausreichend, um die Dienstpläne vollzubringen; Interessierte sind herzlich bei uns willkommen und können sich die Bergwacht unverbindlich ansehen, sollten aber Fähigkeiten im Klettern und Skifahren im Gelände mitbringen“, meinte Strozynski, der zugleich sein bestehendes Team für die geleistete Arbeit der vergangenen Monate lobte: „Ich bin wahnsinnig stolz auf Euch! Es ist großartig, mit wie viel Zeitaufwand und Engagement Ihr Euch im Bergwachtdienst und für den Neubau einsetzt!“

Durchschnittliches Einsatzjahr mit Besonderheiten
2009 und bereits 2006 hatte die Reichenhaller Bergwacht mit jeweils 71 Alarmierungen besonders viel zu tun; 2010 war dagegen gemessen an den Einsatzzahlen eher durchschnittlich, nicht jedoch die geleistete Arbeit der Bergretter. Christian Schieder, bisher stellvertretender Bereitschaftsleiter, muss nach dem Rücktritt von Urs Strozynski seine Bergwacht im Vorstieg zu den Neuwahlen im April führen. Bei der Jahreshauptversammlung berichtete er von einem mit 54 Einsätzen eher normalen Einsatzjahr 2010, das aber seine Besonderheiten hatte: Extrem wenige Einsätze im Winter, dafür immer mehr Alarmierungen, bei denen die Bergwacht zu Notfällen direkt hinter der Straßenböschung ausrücken musste, oft zusammen mit dem Landrettungsdienst des Roten Kreuzes und der Feuerwehr, beispielsweise nach einem Sturz von der Höllenbachbrücke an der B305 oder zu einem abgelegenen Wohnhaus in der Thumseestraße. „Hier beginnt oft schon nach wenigen Metern das unwegsame Gelände, das im neuen Bayerischen Rettungsdienstgesetz dem Zuständigkeitsbereich der Bergwacht zugeordnet ist. Unsere Schwerpunkte waren aber mit jeweils rund 20 Einsätzen wieder das Lattengebirge und der Staufen“, erklärte Schieder. Insgesamt waren die Ehrenamtlichen bei 25 Bergrettungen gefordert, mussten bei sechs Einsätzen im Pistendienst am Götschen Hilfe leisten, mehreren Lichtzeichen nachforschen und einen Toten bergen. Zusätzlich sicherten sie den Graziman und die mit 1.800 Teilnehmern und Fans gut besuchten Genossenschafts-Winterspiele der Volks- und Raiffeisenbank sanitätsdienstlich ab. Ein wenig Zeit blieb trotz aller Dienste auch noch für die Geselligkeit, beispielsweise bei der Sonnwendfeier am Kugelbach, beim Stadtfest mit dem Bergwacht-Kletterturm oder beim Jahresabschlussgottesdienst mit anschließendem Gamsessen im Stüberl.

Neubau Herzensangelegenheit für die ganze Region
Am 22. August wurde die Reichenhaller Bergwacht gleich zu vier Einsätzen in Folge gerufen – jeder in einem anderen Gemeindegebiet: Gegen 14.30 Uhr war eine 24-jährige Salzburgerin im Pidinger Klettersteig bewusstlos geworden und gestürzt (Piding). Kurz nach 17 Uhr wurden die Einsatzkräfte zum Gipfel des Dreisesselbergs im Lattengebirge (Bayerisch Gmain/Bischofswiesen) gerufen, wo ein 39-jähriger Münchener mit Kreislaufschwäche auf Hilfe wartete. Während der Rettungsaktion ging ein weiterer Notruf vom Sonntagshorn (Schneizlreuth) ein, wo zwei Bergsteiger beim Abstieg in wegloses Gelände geraten waren. Zu guter Letzt mussten die ehrenamtlichen Bergretter gegen 21.30 Uhr einen Mann und eine Frau vom Waxriessteig retten, die im Abstieg vom Predigtstuhl (Bad Reichenhall) von der Dunkelheit überrascht worden waren. „Dieser Tag zeigt exemplarisch, dass die neue Bergrettungswache ab sofort eine Herzensangelegenheit nicht nur von Bad Reichenhall, sondern der ganzen Region sein muss. Ihr seid es uns wert, dass wir gemeinsam für dieses Neubau-Projekt kämpfen! Bitte verliert den Mut nicht“, appellierte Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner, der in seinem Grußwort noch erkennbar betroffen vom unmittelbar zuvor bekanntgemachten Rücktritt Strozynskis zunächst Mühe hatte, die richtigen Worte zu finden. „Respekt Eurer professionellen Arbeit!“, lobte Bad Reichenhalls Polizeichef Wilhelm Bertlein und dankte für die stets gute Zusammenarbeit. Major Michael Schalin von der Gebirgsjägerbrigade 23 erinnerte an die vielen Schnittstellen zwischen Bergwacht und Bundeswehr und dankte den Ehrenamtlichen für ihre Hilfe bei der Rettung von verletzten Soldaten aus den heimischen Bergen. „Unsere Bergwacht geht durch schwierige und turbulente Zeiten, in denen eingefleischte Idealisten wie Bettler auftreten müssen. Durch die Hindernisse ergibt sich aber ein starker und intensiver Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft, weshalb wir den Rücktritt unseres Bereitschaftsleiters verstehen und mittragen“, erklärte Bergwachtmann Peter Windstoßer.

Hohe Miete belastet die Bergwacht sehr
Die hohe Miete in ihrer vorrübergehenden Unterkunft in der Frühlingstraße belastet die Bergwacht sehr: 15.000 Euro kosten die Räume pro Jahr, wobei die Stadt Bad Reichenhall Wohngeld in Höhe von 3.000 Euro zuschießt und die Bergwacht-Region Chiemgau 7.200 Euro Untermiete bezahlt. „Trotzdem bleiben 4.800 Euro offen“, erklärte Kassenwart Werner Thaler in seinem Bericht. Kritisch bemerkte er, dass all diejenigen, die Wanderwege und Klettersteige bereitstellen und vermarkten, eine moralische Mitverantwortung tragen würden und die Bergwacht bei ihrem Neubau-Projekt doch unterstützen sollten. Der laufende Betrieb des Bergrettungsdienstes in Bad Reichenhall kostet pro Jahr ohne jede Investition rund 30.000 Euro. 2010 stehen rund 63.000 Euro an Einnahmen etwa 47.000 Euro an Ausgaben gegenüber. Nur etwa ein Drittel des Aufwands wird den bei Einsätzen betroffenen Personen, beziehungsweise ihren Krankenkassen in Rechnung gestellt. Ein weiteres Drittel stellt der Freistaat Bayern für die Beschaffung der Einsatzfahrzeuge, Kommunikations- und anderweitigen Rettungsmittel zur Verfügung. Der Restbetrag muss über Spenden finanziert werden. „Da wir bei Einsätzen nicht erst die Scheiben vom Eis freikratzen können, mussten wir letztes Jahr einen Carport für die Einsatzfahrzeuge bauen“, erklärte Thaler. Die Bergwacht Bad Reichenhall bittet auf das Konto 20202222 bei der Sparkasse Berchtesgadener Land, Bankleitzahl 71050000 um Spenden für ihre neue Bergrettungswache.


Stefan Strecker ist neuer Ausbildungsleiter
Der Bergwacht-Dienst ist trotz aller Technik mit vielen Gefahren und Risiken verbunden, denen auch die Profis wehrlos gegenüberstehen. Ein straffes Ausbildungsprogramm und permanente Fortbildung sind daher Grundvoraussetzung für die Rettung verletzter Bergsteiger und dienen auch der Sicherheit der Retter bei den Einsätzen. Hans Lohwieser hat sein Amt 2010 an seinen bisherigen Stellvertreter Stefan Strecker übergeben; als Stellvertreter steht er seinem Nachfolger weiterhin unterstützend zur Seite.

Bei 29 Ausbildungsterminen der Bergwacht-Bereitschaft war durchschnittlich immer die Hälfte der Aktiven dabei
Die von ihm und Lohwieser organisierten 29 Ausbildungstermine im Jahr 2010 wurden im Schnitt von 18 der aktiven Einsatzkräfte besucht. Ihr Patentrezept: Viele medizinische Fallbeispiele und realitätsnahe Einsatzübungen, bei denen jede Menge Techniken gefragt und möglichst alle Aktiven voll gefordert sind. „Oft ergaben sich dabei zeitliche Engpässe, da wir durch das Neubauprojekt zugleich an mehreren Fronten kämpften“, erklärte Strecker, der aber jede Kritik an Umfang und Intensität der Ausbildung klar zurückwies: „Wir haben 2010 mehrmals die absolute Leistungsgrenze erreicht, aber den Patienten in einer Notlage interessiert es nun mal nicht, von welcher Garage wir ausrücken – er erwartet unsere rasche und kompetente Hilfe; ich wünsche mir, dass alles weiterhin so reibungslos klappt wie bisher!“ Zusätzlich zu den Echtübungen mit den verschiedenen Hubschrauberbetreibern absolvierten die Bergwacht-Luftretter ihre Trainingsflüge am Hubschraubersimulator in Bad Tölz. „Die Arbeit in der Halle ist wesentlich stressfreier und ungefährlicher, ersetzt aber nicht den scharfen Flug in den heimischen Bergen“, meinte Strecker.
Sie schulen die Einsatzkräfte von morgen: Markus Furtner und Christoph Trübenbacher bereiteten auch im vergangenen Jahr die Anwärter auf ihre Aufgaben und Prüfungen vor – ganz individuell nach Wissen und Leistungsstand. Zur Reichenhaller Bergwacht gehören auch drei Canyon-Retter und vier Hundeführer, die zusätzlich zur Ausbildung in der Bereitschaft weitere Fortbildungen organisierten. Die Canyon-Rettungsgruppe war neben ihrer Jahresübung am Gardasee beim Training in mehreren heimischen Schluchten unterwegs; die Lawinen- und Suchhundestaffel absolvierte in enger Kooperation mit der Polizei-Hundestaffel einen fünftägigen Sommer- und einen fünftägigen Winterkurs sowie elf Tagesübungen, wobei die Hundeführer zugleich als Einsatzleiter geschult wurden, da sie oft als erste mit ihrem Hund per Hubschrauber auf dem Lawinenkegel abgesetzt werden.

Seit vier Jahrzehnten ehrenamtlich für die Bergwacht aktiv
Bei der Bergwacht gibt es keine passive Mitgliedschaft. Jeder Aktive steht auf dem Dienstplan, absolviert die in dieser Zeit anfallenden Einsätze und muss regelmäßig an den Übungen und Fortbildungen der Bereitschaft und im Zentrum für Sicherheit und Ausbildung in Bad Tölz der Bergwacht Bayern teilnehmen. Für ihren 40 Jahre langen aktiven Dienst in der Bergwacht zeichneten Bereitschaftsleiter Urs Strozynski, sein Stellvertreter Christian Schieder und Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner Walter Assmann, Edi Schmid und Heli Rieser mit dem goldenen Ehrenzeichen der Bergwacht Bayern aus. „Ihr wart über Jahrzehnte hinweg nicht einfach nur dabei, sondern habt immer aktiv mitgearbeitet und dabei Großartiges geleistet“, lobte Strozynski.

Pressemitteilung BRK BGL

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