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Weiterhin auf Rekordlevel: Reichenhaller Bergwacht 2018 bei 95 Einsätzen gefordert

Ein Viertel der Rettungen war bedingt durch extremes Wetter und Gelände mit sehr großem Aufwand verbunden.

Die Bergwacht Bad Reichenhall hat bei ihrer Jahreshauptversammlung erneut auf ein mit 95 Einsätzen (2017: 100) sehr intensives Jahr auf Rekordniveau zurückgeblickt und spricht von der zweithöchsten Zahl an Einsätzen seit Bestehen ihrer Bereitschaft. Rund ein Viertel davon waren bedingt durch extremes Wetter und Gelände mit sehr großem Personal-, Zeit- und Koordinierungsaufwand verbunden, da Helis zur raschen Rettung bei Sturm und Nebel nicht mehr fliegen können, wie am 1. April beim fünfstündigen Einsatz für zwei Wanderer bei Orkanböen am winterlichen Staufen oder in der Nacht von 8. auf den 9. August am Mittersteig an der Reiter Alpe, wo eine Radfahrerin 15 Meter abgestürzt war und ihr Mann nach einem Wettersturz die ganze Nacht durch aufwendig gesucht und aus dem Steilgelände gerettet werden musste.

Bereitschaftsleiter Stefan Strecker, sein Stellvertreter Urs Strozynski, Kassenwart Werner Thaler und der neue Ausbildungsleiter Michael Ziegler berichteten vom erfolgreich vollendeten, hürdenreichen 78.000-Euro-Garagenbau, ungewöhnlich häufigen Tierrettungen und Sachbergungen wie von E-Bikes, vielen Einsätzen für Verletzte oder schwer Erkrankte mit Zeitdruck, bei denen geländebedingt in unmittelbarer Straßennähe der Landrettungsdienst unterstützt werden musste, 105 Ausbildungsterminen und einem aktuell sehr starkem Zustrom von derzeit zehn Anwärtern, die die Ausbildung zur aktiven Einsatzkraft durchlaufen.

Zwei Bergsteiger konnten nur noch tot geborgen werden


Bereitschaftsleiter Stefan Strecker lobte alle aktiven Einsatzkräfte für ihre geleistete Arbeit und hob die besondere Verantwortung der ebenfalls rein ehrenamtlichen Einsatzleiter hervor: „Ihr steuert mit Euren Entscheidungen maßgeblich den Einsatzerfolg und müsst unsere Bergwacht rund um die Uhr das ganze Jahr über nach außen vertreten!“ Aktuell besteht die Bergwacht aus 75 Mitgliedern – 46 davon sind aktive Einsatzkräfte, drei davon erst seit 2018. Zehn sind Anwärter, zwei Hundeführer, drei Canyonretter und einer Fachberater für Krisenintervention (KID). Strecker erinnerte an die jüngst verstorbenen langjährigen Reichenhaller Bergwachtmänner Otto Zach und Karl Schieder und die beiden 2018 im Reichenhaller Einsatzgebiet verstorbenen Bergsteiger, darunter ein am 5. Juni in der Hochstaufen-Nordwand tödlich abgestürzter 41-jähriger Kletterer aus Bayerisch Gmain und ein 79-jähriger Wanderer aus Weißbach an der Alpenstraße, der am 8. September mit einem Kreislaufstillstand an der Höllenbachalm zusammengebrochen war und nicht mehr wiederbelebt werden konnte.

Zweistärkstes Einsatzjahr seit Bestehen der Bereitschaft


Bereitschaftsleiter-Stellvertreter Urs Strozynski berichtete vom zweitstärksten Einsatzjahr seit Bestehen der Reichenhaller Bereitschaft, das aber aufgrund der Intensität der Einsätze noch aufwendiger als 2017 mit seinen 100 Einsätzen war. Von den 95 Einsätzen waren mit rund einem Viertel besonders viele bedingt durch extremes Wetter und Gelände außergewöhnlich personal-, zeit- und koordinierungsintensiv. Strozynski berichtete exemplarisch von zwei Rettungen mit jeweils 22 Einsatzkräften: Ein Großaufgebot der Bergwacht hatte am Ostersonntag in einer fünfstündigen Rettungsaktion bei sehr widrigen Verhältnissen eine 35-jährige Münchnerin und einen 41-jährigen Australier vom Hochstaufen gerettet. Die beiden waren trotz des schlechten Wetters mit Regen, Sturmböen, Neuschnee und Windverfrachtungen nur leicht bekleidet über den bei diesen Bedingungen besonders steinschlag- und lawinengefährlichen Goldtropfsteig zum Reichenhaller Haus aufgestiegen, wo sie dann gegen 16.30 Uhr auf der Terrasse durchnässt, frierend und am Ende ihrer Kräfte einen Notruf absetzten. Wegen Orkanböen konnte der Heli nur noch zu Beginn zwei Retter am Gipfel absetzen, weshalb die Bergwacht die beiden zu Fuß abholen musste. Während des Sturms ging Lawinenhund Enzo verloren, tauchte dann aber am nächsten Morgen wieder unversehrt auf. 2018 hatte die Bergwacht in der Region insgesamt ungewöhnlich viele Einsätze für vermisste und in Not geratene Hunde und Rinder im unwegsamen Gelände. Strozynski: „Das Medienecho bei den Tierrettungen war deutlich größer, als wenn wir Menschen retten.“ In der Nacht von den 8. auf den 9. August hatten nochmals 22 Bergretter und die Besatzung des Salzburger Notarzthubschraubers „Christophorus 6“ einer an der Nordostseite der Reiter Alpe abgestürzten und schwer verletzten 41-jährigen Radfahrerin durch einen raschen Rettungsflug bei sehr schwierigen Bedingungen mit Starkregen und Gewitter das Leben gerettet und den unverletzten Ehemann in einer über zehnstündigen nächtlichen Rettungsaktion aus absturzgefährlichem Gelände gerettet.

Einsatzschwerpunkt im Lattengebirge und am Staufen


56 Prozent aller Einsätze fanden für Wanderer und Bergsteiger statt. Der Rest verteilt sich auf Mountainbiker, Skifahrer, Kletterer und Eiskletterer, Transferfahrten mit dem Kerosinanhänger für andere Bereitschaften, Jagd- und Forstunfälle, Verkehrsunfälle, Tierrettungen und Gleitschirmflieger. Rund ein Drittel der Einsätze spielten sich im Lattengebirge samt Skigebiet Götschen ab, knapp gefolgt vom Staufen-Fuderheuberg-Gebiet (28 Prozent) – der Rest verteilt sich auf Reiter Alpe, Teisenberg und Högl, Untersberg, Zwiesel und Höllenbachalm, Ristfeuchthorn und Einsätze im unwegsamen Gelände im Tal.

Zwei Drittel der Geretteten sind Männer, der Großteil zwischen 40 und 60
Am meisten passiert ist – typisch für das vor allem von Wanderern genutzte Gebiet – bedingt durch das schöne Wetter im Juli, August, Mai und Juni, wobei im Gegensatz zu früher mittlerweile das ganze Jahr über was passiert, schwerpunktmäßig mit zwei Dritteln am Nachmittag zwischen 12 und 18 Uhr, mit einem Fünftel aber auch immer mehr am späten Abend bis Mitternacht – 48 Prozent am Wochenende und 52 Prozent werktags. „Tote Monate und Zeiten gibt es nicht mehr, weil immer und auch zu fast jeder Tages- und Nachtzeit wer am Berg unterwegs ist. Die häufigste Einsatzart war 2018 mit 25 Prozent ein so genannter 400er – das ist die aufwendigste Einsatzart, die wir erfassen“, stellte Strozynski fest. Rund ein Drittel der Einsätze wurde in unter einer Stunde abgearbeitet, ein weiteres Drittel in ein bis zwei Stunden – der Rest dauerte wetter- und geländebedingt zwei bis drei Stunden oder sogar wesentlich länger. „Richtig lange Einsätze mit mehr als drei Stunden waren mit 13 Prozent die Ausnahme.“ Über zwei Drittel der Geretteten sind Männer und der Großteil zwischen 40 und 60 Jahre alt. Kinder und junge Erwachsene bis 20 Jahre machen nur fünf Prozent aus. „58 Prozent der Geretteten kamen aus Bayern, zehn Prozent sind Österreicher – warum das so ist, ob die geländegängiger oder lieber daheim unterwegs sind, wissen wir nicht“, schmunzelte Strozynski. 84 Prozent konnten mit weniger als zehn Einsatzkräften abgewickelt werden; 62 Prozent ohne Heli-Unterstützung.

Hürdenreicher 78.000-Euro Garagenbau nach zwei Jahren Wartezeit in Rekordtempo fertiggestellt


Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner hatte nach rund zweijähriger Wartezeit am 16. Februar 2018 persönlich die Baugenehmigung für die zusätzlichen drei Garagen und den Carport bei der Bergwacht vorbeigebracht und warb in seinem Grußwort bei der Jahreshauptversammlung um Verständnis für seine Mitarbeiter in der Stadtverwaltung, die durch Recht und Vorschriften gebunden bei ihren Entscheidungen immer auf Nummer Sicher gehen müssten. Öffentlich waren Kritik und Unverständnis wegen vermeintlich fehlender Unterstützung durch die Stadt laut geworden, da die ehrenamtlichen Bergretter so lange Zeit keine Baugenehmigung bekommen hatten. Der zunächst sehr zähe Bau wurde dann unter der Leitung von Hans Lohwieser und Spendensammler Marcus Goebel in Rekordzeit realisiert und am 6. Juli kirchlich gesegnet. Strecker: „Vielen Dank an unseren Hans, bei dem ich mir oft schon dachte, dass er auf der Baustelle wohnt!“ Die heimische Bevölkerung und viele Firmen standen hinter dem für die Ehrenamtlichen so wichtigen Vorhaben und unterstützten ihre Bergwacht mit vielen und vor allem oft auch sehr großzügigen Spenden finanziell und moralisch.

105 Ausbildungstermine, damit alle immer wieder gesund nach Hause kommen


Der bisherige Stellvertreter Michael Ziegler übernahm 2018 die Ausbildungsleitung von Martin Neubauer, der weiterhin Einsatzleiter und Ausbilder bleibt, aber in Zukunft mehr Zeit für die Familie braucht. Ziegler hat einige neue, junge Leute als Ausbilder gewonnen und mit eingebunden, wobei 2018 insgesamt 105 Termine stattfanden, darunter echte Hubschrauberübungen am Berg und am Simulator in der Halle in Bad Tölz, ein Winter-Ausbildungswochenende auf Kührpoint und im Watzmannkar, Eiskletterausbildungen, der Seilbahnbau in der Schlucht, Kletterausbildungen, eine Übung mit dem Seilfahrgerät zur Rettung an der Predigtstuhlbahn, eine Übung mit dem Drehleiter-Seilzug-Gerät, 25 eigene Anwärterausbildungen, 22 Übungen der Hundestaffel, elf Übungen der Canyonretter, drei Einsatzleiterfortbildungen, drei KID-Fortbildungen und diverse notfallmedizinische Ausbildungen. „Wir betreiben diesen sehr großen Aufwand, um für möglichst jede Einsatzsituation gut vorbereitet zu sein, damit wirklich alle immer wieder gesund nach Hause kommen!“, betonte Ziegler.

Nur rund ein Viertel der Einnahmen sind Benutzungsentgelte


Kassenwart Werner Thaler führt mit seiner Buchhaltung für die Reichenhaller Bergwacht seit einigen Jahren ein mittelständisches Unternehmen und berichtete von Ausgaben und Einnahmen in Höhe von jeweils insgesamt rund 110.000 Euro, darunter auch der Neubau der Garagen und des Carports. Die Leistungs- und Betriebsausgaben lagen bei etwa 50.000 Euro. Mit rund einem Drittel kosteten die Instandhaltung der Gebäude und die Einsatzausrüstung am meisten Geld, gefolgt von den Kosten für die Fahrzeuge inklusive der Versicherungen (22 Prozent), Neubeschaffungen von Dienstbekleidung und Einsatzausrüstung (13 Prozent) sowie Personen- und Sachversicherungen (10 Prozent). Der Rest entfällt auf Soziales (7), Gas, Wasser und Strom (6), Ausbildung (4), Verwaltung und EDV (3), Kommunikation (3) und medizinischen Bedarf (2). Nur rund ein Viertel der Einnahmen sind die der Bergwacht zugewiesenen so genannten Benutzungsentgelte, jeweils ein weiteres Viertel sind Geldspenden, öffentliche Zuwendungen und Zuweisungen von Justiz und Staatsanwaltschaft.

Lob und Anerkennung


2019 stehen keine großen Projekte an; die Reichenhaller Bergwacht will den eigenen und fremden Erwartungsansprüchen gerecht werden und mit einer umfangreichen und vielfältigen Ausbildung für unterschiedlichste Szenarien möglichst gut vorbereitet sein. „Wir machen hier im Saalachtal die Einsätze sicher nicht bessere als andere, versuchen aber seit vielen Jahren möglichst gut im Team und mit anderen zusammenzuarbeiten“, betonte Strecker, der von seinem Stellvertreter für die enorm viele Zeit gelobt wurde, die er in sein Bergwacht-Ehrenamt steckt: „Stefan ist nicht nur Bereitschaftsleiter; er macht auch die meisten Dienste, engagiert sich als Hundeführer und Leiter der Hundestaffel und fährt ehrenamtlich als Rettungssanitäter viele Schichten im Landrettungsdienst!“ Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner, Bayerisch Gmains neuer Bürgermeister Armin Wierer, Reichenhalls Feuerwehrkommandant Andreas Gabriel, der Reichenhaller DAV-Chef Robert Kern, Bad Reichenhalls Polizei-Vize Harald Kern, der stellvertretende Brigadekommandeur Oberst Peter Eichelsdörfer von der Bundeswehr, Bergwacht-Regionalleiter Dr. Klaus Burger und die Leiter der Nachbar-Bereitschaften Siegfried Fritsch und Lorenz Aschauer dankten der Reichenhaller Bergwacht im Grußwort und im persönlichen Gespräch für die gute Zusammenarbeit und die geleistete Arbeit.

red/Pressemitteilung BRK BGL
Bilder © Leitner BRK BGL
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