Bergwacht, Feuerwehr und Polizei müssen zwölf Verletzte aus schwierigstem Gelände retten und angehenden Waldbrand löschen
Sie war mitunter die spektakulärste und aufwendigste Kreisübung der vergangenen Jahre: 170 Einsatzkräfte von Bergwacht, Feuerwehr und Polizei waren am Freitagnachmittag bei einem angenommenen Kleinflugzeugabsturz im Einstiegsbereich des Pidinger Klettersteigs auf der Nordseite des Hochstaufens voll gefordert. Unter anderem mussten sie zwölf Verletzte aus schwierigstem Gelände retten und einen beginnenden Waldbrand löschen. Mit drei eingesetzten Hubschraubern, lauten Explosionen, Rauchschwaden und einem echten Flugzeugwrack im Steilhang auf 1.000 Metern Höhe lockte das Spektakel zahlreiche Zuschauer an. Schwierigkeiten mit der Funkverbindung, die exponierte Lage des Schadensorts und das schwierige Gelände machten die Übung zu einer echten Herausforderung für alle Beteiligten.
Das Übungsleitungsteam von Bergwacht, Feuerwehr und Landratsamt hatte ganze Arbeit geleistet und während der wochenlangen Vorbereitungen absolutes Stillweigen bewahrt. Bis zum Freitagnachmittag, als die Leitstelle Traunstein gegen 14 Uhr die Funkmeldeempfänger auslöst, weiß keiner der Teilnehmer genau, was auf ihn zukommt – alles ist bis zuletzt streng geheim und spannend. „Damit bleibt der Übungseffekt erhalten, weil sich keiner wirklich vorbereiten kann“, erklärt Bergwacht-Regionalausbilder Manfred Hasenknopf, der das Szenario zusammen mit Uli Hölzl vom Landratsamt und Leonhard Schaller von der Feuerwehr ausgearbeitet und in Szene gesetzt hat.
„Unfall Kleinflugzeug an der Staufen-Nordseite, Ortsteil Urwies, Gemeinde Piding (Kreisübung)“ steht auf dem Alarmfax der Leitstelle - mehr nicht, weshalb Feuerwehr-Einsatzleiter Rainer Holzner und Bergwacht-Einsatzleiter Christian Zelzer die genaue Lage erst einmal bei einem Suchflug mit dem Polizeihubschrauber „Edelweiß 8“ erkunden müssen, denn das in Frage kommende Gebiet ist groß und unübersichtlich. Beide staunen nicht schlecht, als auf der Schuttrinne im Einstiegsbereich des Pidinger Klettersteigs ein echter Flieger liegt. Rundherum brennt der Wald, Rauchschaden steigen auf und Menschen liegen herum. Wie viele und wie schwer sie verletzt sind, können sie aus der Luft nicht wirklich beurteilen. Offenbar war das Kleinflugzeug oberhalb des Einstiegspfeilers in die Felswand geknallt und schwer beschädigt auf den darunter liegenden Schuttkegel gestürzt. Dass beim Einschlag auch eine Gruppe Klettersteiggeher verletzt wurde, weiß noch keiner.
Sofort läuft ein großer Rettungs- und Löscheinsatz an: Die Leitstelle Traunstein alarmiert die Örtliche Einsatzleitung (ÖEL), die Freiwilligen Feuerwehren Piding, Bad Reichenhall, Aufham, Anger, Ainring und Freilassing sowie die Bergwachten Bad Reichenhall, Freilassing, Teisendorf-Anger und Inzell. Da sehr gute Sichtflugbedingungen herrschen, kommen auch ein Hubschrauber der Bayerischen Polizei mit Rettungswinde, ein Transporthubschrauber der Bundespolizei und ein Großraumhubschrauber der Bundeswehr zum Einsatz. Der Chef der Reichenhaller Polizei, Wilhelm Bertlein und ein Fachberater-Team des Technischen Hilfswerks (THW) unterstützen im Tal die Einsatzleitung. Im Ernstfall würde auch die Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) im Landratsamt ihre Arbeit aufnehmen und ein Großaufgebot des Roten Kreuzes unter der Führung der Sanitätseinsatzleitung (SanEL) alarmiert werden. Da eine aufwendige Löschwasserversorgung mit Pumpen und kilometerlangen Schlauchstrecken von einem rund 300 Meter tiefer bei der Moar-Alm gelegenen Bach aus in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar ist, werden die Flughelfer und das Waldbrand-Equipment der Feuerwehr Bad Reichenhall vom Tallandeplatz in Urwies aus im Pendelverkehr zum Schadensort geflogen. Sie müssen von der „Super Puma“ im Schwebeflug abspringen und bauen einen Faltbehälter in der Nähe der Absturzstelle auf, der vom Hubschrauber immer wieder per Außenlastbehälter mit Wasser gefüllt wird. Gleichzeitig sorgt die Besatzung der Bundeswehr mit den Flughelfern der Feuerwehr Wolfratshausen per 5.000-Liter-Außenlastbehälter für eine regelrechte Regenwolke über dem Bergwald – natürlich in ausreichender Entfernung, damit die Einsatzkräfte am Boden nicht nass werden. Da mehrere Hubschrauber im Einsatz sind, koordiniert ein Flughelfer der Feuerwehr am Flugfeld in Urwies über Funk alle Abläufe.
Bergwacht-Einsatzleiter Christian Zelzer bleibt im weiteren Verlauf im Tal bei der Örtlichen Einsatzleitung und leitet die Rettung der Verletzten, wobei er sich über Funk ständig mit Stefan Strecker austauscht, der als Abschnittsleiter an der Absturzstelle die Einsatzkräfte führt und die durch Bergwacht-Notarzt und Sanitäter gesichteten Patienten registriert. Im Pendelverkehr setzt die Besatzung von „Edelweiß 8“ per Winde Einsatzkräfte, Rettungsgerät und medizinisches Material außerhalb des Gefahrenbereichs am Schadensort ab; gleichzeitig fahren Rettungsteams mit Geländewagen und Quads über die Forststraße an. Um die Flug- und Fahrstrecken zu verkürzen, verlegen die Bergretter all ihre Fahrzeuge und ihren Zwischenlandeplatz an einen Bereitstellungsraum an der Koch-Alm. „Bei der Lageerkundung entdeckten wir auf einmal fünf Klettersteiggeher oberhalb des Einstiegspfeilers, die offenbar beim ersten Einschlag des Flugzeugs zum Teil schwerst verletzt wurden“, berichtet Zelzer, der deshalb einen weiteren Einsatzabschnitt einrichtet.
Übungsleiter Manfred Hasenknopf macht es seinen Kameraden nicht leicht, denn die fünf Bergsteiger mit Brand- und Amputationsverletzungen im Klettersteig dürfen nur terrestrisch über die senkrechte Felswand abtransportiert werden – ein Hubschrauber kann sie nicht aufnehmen, da es rundherum brennt. Als die Rettungsarbeiten auf Hochtouren laufen, spielt er zusätzlich einen Zwischenfall ein: Klettersteiggeher werden vermisst und müssen gesucht werden. „Der dadurch für kurze Zeit gebundene Polizeihubschrauber fehlte zum Transport von Rettungskräften“, erklärt Einsatzleiter Zelzer. Immer mehr Feuerwehr- und Bergwachtleute treffen im weiteren Verlauf an der Absturzstelle ein und arbeiten Hand in Hand bei der Patientenversorgung zusammen – in der Akutphase wird jeder Helfer gebraucht. Anfängliche Funkprobleme bekommen die Retter nach einiger Zeit in den Griff.
Das Szenario ist schaurig realistisch: Aus Lautsprechern ertönt das wimmernde Geschrei von Verletzten, Rauch steigt von den brennenden Trümmern gen Himmel auf und von Zeit zu Zeit übertrumpfen Explosionen mit einem lauten Knall und meterhohen Feuersäulen das ohnehin schon spektakuläre Geschehen. Bergwachtarzt Schorsch Bergmaier eilt von Patient zu Patient, kümmert sich um die Erstversorgung und erteilt den Rettern Anweisungen zur weiteren Versorgung und zum Abtransport. Fünf schwer Verletzte werden in der Gebirgstrage oder im Luftrettungssack gesichert und per Rettungswinde in den Polizeihubschrauber aufgenommen, darunter auch vier der Klettersteiggeher; für den fünften kommt jede Hilfe zu spät. „Der ursprünglich vorgegebene bodengebundene Abtransport hätte einfach zu lange gedauert und den gesteckten Zeitrahmen von dreieinhalb Stunden gesprengt“, bedauert Hasenknopf. Einer der Flugzeuginsassen kann nur noch tot geborgen werden, fünf weitere werden schwer verletzt zu Fuß per Trage zu den Fahrzeugen gebracht und zu Koch-Alm transportiert.
Bei einer vom Landratsamt gesponserten Brotzeit tauschten die Übenden im Tal kurz danach bereits die ersten Erfahrungen aus, wobei alle durch die Bank schwer begeistert vom aufwendig gestalteten Szenario waren. „Im Ernstfall müssten wir zur Brandbekämpfung mehr Helfer und Ausrüstung frühzeitig auch mit Fahrzeugen über die Forststraßen so nah wie möglich an den Schadensort heranbringen, da die Kapazitäten der Hubschrauber begrenzt sind“, meinte Feuerwehrkommandant Rainer Holzner. „Bei so einer Großübung kann nicht alles perfekt laufen, aber nur so merken wir, wo es schwierig werden könnte, wo unsere Schwachstellen sind und was wir eventuell anders machen müssen. Die Zusammenarbeit mit allen Organisationen hat hervorragend funktioniert“, lobte Kreisbrandrat Rudi Zeif, der die Abläufe vom Tal aus bei der Örtlichen Einsatzleitung verfolge. Ein Novum dabei war, dass Videobilder vom Schadensraum am Berg in Echtzeit ins Tal zum Einsatzleitcontainer gesendet wurden. Auch Bergwacht-Einsatzleiter Christian Zelzer ist mit der Leistung seiner Mannschaft zufrieden: „Wir haben alle Verletzten mit Anhängekarten gesichtet und auch die Rettungskräfte bereits im Tal registriert. Dadurch hatte ich immer einen genauen Überblick, wer wann und wo gerade im Einsatz ist; in so gefährlichen Schadensräumen ein entscheidender Vorteil, denn auch den Rettern kann jederzeit etwas passieren.“
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