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Bis zu 50 Meter tiefe Abseilstellen durch wasserführende Schluchten

Canyon-Retter von Bergwacht und Wasserwacht bereiten sich am Gardasee auf die Einsatzsaison vor.

Reißende Strömung, eiskaltes Wasser und glatter, rutschiger Fels: Die Canyon-Retter von Bergwacht im BRK und BRK-Wasserwacht sind die Spezialisten fürs Extreme, wenn besonders schwierige Einsätze in wasserführende Schluchten führen. Während einer viertägigen Fortbildungstour haben sie sich im Juni unter der Führung ihres Chefs Hannes Jahrstorfer auf die kommende Einsatzsaison vorbereitet – vorerst zum letzten Mal in den bereits bestens bekannten Schluchten und Klammen hoch über dem Gardasee, denn in Zukunft wollen die ehrenamtlichen Retter neue Übungsgebiete erkunden. Die Schulung findet seit mehreren Jahren statt und soll den Spezialeinsatzkräften Wissen und wichtige Fähigkeiten für Rettungen in den heimischen Gebirgsbächen vermitteln.

Die Canyon-Rettungsgruppe Chiemgau (CRG) setzt sich aus Spezialisten der Bergwacht-Region Chiemgau im Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und der BRK-Kreis-Wasserwacht Berchtesgadener Land zusammen. „Unsere Aufgabe ist die Rettung von Verunfallten aus wasserführenden Schluchten“, erklärt Gruppenleiter Hannes Jahrstorfer. Vom 7. bis zum 10. Juni trainierten 16 der Canyon-Retter in den Schluchten nördlich des Gardasees für die kommende Einsatzsaison. „Unsere Leute sollten die örtlichen Gegebenheiten wie Wettersituation, Wasserstand und Schwierigkeit einer Schlucht richtig beurteilen, Fixpunkte überprüfen und einschätzen, selbständig Abseilstellen einrichten und überwachen und dabei alle unsere Standards in der Canyon-Rettung einhalten“, erklärt Jahrstorfer.

Am frühen Donnerstagmorgen startete die Gruppe bereits gegen 6.30 Uhr an der neuen Bergrettungswache in Bad Reichenhall via Brenner und Trient zum Campingplatz in Pietramurata, nördlich von Arco, wo sie Quartier bezog. 14 bis zu 20 Meter hohe Abseilstellen: Die erste Tour führte durch den als schwierig eingestuften Torrente Albola im Bereich von Riva del Garda. Nach einem rund halbstündigen Aufstieg über einen steilen Weg zum Einstieg legten die Einsatzkräfte ihre umfangreiche Sicherheitsausrüstung an und begaben sich auf eine so genannte „überschlagene Begehung“. „Jede Einsatzkraft musste dabei eigenverantwortlich den Standplatz beurteilen und einrichten. Dabei war das Seil so abzulängen, dass die Route mit möglichst wenig aquatischem Risiko behaftet ist, also wenig durchs Wasser führt. Aufgrund des sehr guten Ausbildungsstands konnten wir die Schlucht in nur drei Stunden bewältigen“, freut sich Jahrstorfer.

Am Freitag stand die Begehung des Rio Val und des Torrente Palvico auf dem Programm. „Zwei Schluchten, die problemlos nacheinander begangen werden können“, erklärt Jahrstorfer. Die Fahrt ging über Riva del Garda und Ledrosee nach Storo zum Einstiegspunkt des Rio Val. Der Rio Val ist eine nach Süden ausgerichtete, offene Abseilschlucht mit Aussicht auf den Tremalzo. Er ist als ziemlich schwierig eingestuft und hat 15 Abseilstellen mit bis zu 40 Metern Höhe; er endet an der Verbindungsstraße Ledrosee-Storo, auf der man nach einem kurzen Fußmarsch den Einstieg des Torrente Palvico erreicht.

„Der schwierige Palvico ist am Anfang recht unspektakulär, da man nur durch das Bachbett geht, bis man die erste von insgesamt sechs Abseilstellen erreicht. Er hat einen ganz anderen Charakter als der Rio Val, ist eng und tief eingeschnitten. Leider hat die Sonne nicht geschienen, sodass es keine Lichtreflektionen gab und es eher dunkel war. Der Höhepunkt des Palvico ist die letzte Abseilstelle in einem Felsenfenster: 50 Meter tief geht die Abseilfahrt in einen See“ schwärmt Alexander Schwarz von der BRK-Wasserwacht. Für beide Touren ist laut Canyoning-Führer eine reine Begehungszeit von fünf Stunden angegeben. „Durch das überschlagene Gehen waren teilweise bis zu drei Abseilstellen gleichzeitig aufgebaut, was sich in einem Zeitgewinn von über einer Stunde wiederspiegelte“, berichtet Schwarz.

Der Torrente Baes liegt am Westufer des Gardasees und war am Samstag die letzte Begehung im Rahmen der Canyon-Retter-Fortbildung. Die Fahrt ging über Riva del Garda nach Limone und weiter nach Prato della Fama. „Der Vorteil am Torrente Baes ist, dass der Ausgangs- und Zielpunkt identisch sind und damit kein Auto zum Einstieg benötigt wird. Nachteilig ist der gut halbstündige, schweißtreibende Aufstieg über einen Pfad durch die Felswand. Die Mühe wird dann aber durch einen herrlichen Tiefblick auf den Gardasee entschädigt“, erklärt Jahrstorfer. Die Schlucht hat ihren eigenen Charakter: Der erste Teil ist tief eingeschnitten und vom Wald überdeckt. Der zweite Teil beginnt an einem Wandfenster zum Gardasee hin. Es sind 15 Abseilstellen mit einer Höhe von bis zu 50 Metern zu bewältigen. Die Tour endete mit einem erfrischenden Bad im Gardasee, bei der die Einsatzkräfte gleich ihre Ausrüstung reinigen konnten. Heftige nächtliche Gewitter mit Dauerregen bis in den Morgen machten praktische Übungen am Sonntag unmöglich. Die Gefahren durch die gestiegenen Wasserstände in den Schluchten waren so groß, so dass die Retter ihre Fortbildung vorzeitig beenden und um 9 Uhr die Heimreise antreten mussten.

Im Verlauf des intensiven Trainings verbesserten die 16 Einsatzkräfte vor allem ihre Fähigkeiten in den speziellen Abseil- und Sicherungstechniken, die zur Fortbewegung im schwierigen, wasserführenden Canyon-Gelände notwendig sind. Weitere Schwerpunkte waren das Risikomanagement und die professionelle Vorbereitung von Touren: Jeder Teilnehmer sollte die Begehungsmöglichkeiten und Gefahren selbst einschätzen lernen. „Das wesentliche Ziel der Weiterbildung, die Retter nach der Winterpause schnell wieder auf den aktuellen Stand der Sicherungstechnik und Einsatztaktik für die kommende Saison zu bringen, haben wir im vollen Umfang erreicht“, freut sich Jahrstorfer. Am Gardasee ist es zu dieser Jahreszeit einfach wärmer als in den heimischen Schluchten, weshalb sich die Region südlich der Alpen für längere Weiterbildungen besonders gut eignet. Während der vier Tage bewältigten die Berg- und Wasserretter wesentlich höhere Schwierigkeitsgrade, als sie die heimischen Canyons bieten. Gerade dadurch sind sie bei Rettungseinsätzen im Berchtesgadener Land besonders sicher und erfahren. 2013 will die Gruppe ihre Fortbildung in neuen Schluchten in Kärnten, der Steiermark oder im itlaienischen Friaul durchführen.

Pressemitteilung BRK BGL
Bilder © BRK BGL
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