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Spezialisierte Spürnasen fürs unwegsame und alpine Gelände

Lawinen- und Suchhundestaffel der Bergwacht-Region Chiemgau übt im Bergwald am Teisenberg bei Neukirchen die Vermisstensuche.

Sie ist als einzige Hundestaffel in der Region auf unwegsames und alpines Gelände spezialisiert, denn die Hundeführer haben alle im Vorfeld die mehrjährige, intensive Grundausbildung zur Bergwacht-Einsatzkraft absolviert. Die Lawinen- und Suchhundestaffel der Bergwacht-Region Chiemgau ist nicht nur gefordert, wenn im Winter Bergsteiger von Schneemassen mitgerissen und verschüttet werden; die aktuell acht voll ausgebildeten Suchhundeteams kommen auch im Frühjahr, Sommer und Herbst zum Einsatz, wenn Bergsteiger vermisst werden, der genaue Ort der Unfallstelle unklar ist oder Senioren oder Kranke im Tal vermisst werden, denn das unwegsame Gelände beginnt im Berchtesgadener Land oft schon wenige Meter neben der befestigen Straße. Bei einer Übung in den steilen und weitläufigen Wäldern des Teisenbergs bei Neukirchen haben sie vor wenigen Tagen den Ernstfall geprobt.

Wo ist der arme Mann?
Für den fünfjährigen Schäferhundrüden Max ist es nur ein Spiel, für den verletzten und unterkühlten Bergwanderer geht es im Ernstfall um Leben und Tod – jede Minute zählt. „Wo ist der arme Mann?“, ruft Hundeführer Jörg Riechelmann. Max ist seit Januar 2012 voll ausgebildeter C-Hund und verschwindet schnurstracks im hohen Gras und Unterholz. Treffsicher steuert er auf die Baumgruppe im Bergwald zu, wo Ausbilder Helmut Lutz zwischen Moos und Gräsern am Boden liegt und den Verletzten mimt. „Wenn der Bergwacht-Funkmeldeempfänger bei einem Einsatz Alarm auslöst, springt der Hund zu Hause bei meiner Frau Claudia im Dreieck. Das Geräusch kennt und liebt er“, erklärt Riechelmann.

Ein extrem heißer Sommertag geht zu Ende und nur eine Hand voll Wanderer und Radler ist unterwegs; die Bergwacht-Suchhundestaffel nutzt die Abgeschiedenheit und Ruhe im Wald, um die Flächensuche zu trainieren. Max trägt sein Lieblingsspielzeug um den Hals; wenn er dieses Bringsel im Maul zurückbringt, weiß Riechelmann, dass er sicher wen gefunden hat. „Früher haben wir die Hunde so ausgebildet, dass sie durch Verbellen einen Fund anzeigen“, erklärt Ausbilder Lutz. Da die Vierbeiner dadurch aber auch teilweise aggressiv werden, den Patienten einschüchtern und ihm Angst machen, wird mittlerweile fast nur noch mit dem Bringsel gearbeitet. Nacheinander absolvieren alle Hundeteams die gestellte Aufgabe, darunter der Berchtesgadener Bergwacht-Notarzt Dr. Ralph Kaukewitsch mit seiner Retriever-Hündin Lilly und der Marktschellenberger Bereitschaftsleiter Martin Wagner mit seiner vierjährigen Chica. Aktuell gehören acht voll ausgebildete C-Hunde und ein A-Hund im ersten Ausbildungsjahr zur Staffel. Der stellvertretende Staffelleiter Achim Tegethoff aus Schleching und Hannes Jahrstorfer aus Bad Reichenhall stehen mit ihren neun und acht Monate alten Jung-Schäferhunden Bacira und Kenn wieder ganz am Anfang der Ausbildung und werden im Winter 2013/2014 den einwöchigen Winterkurs absolvieren. Sie trainieren bereits fleißig mit dem Bringsel-Verweisen die ersten Lernschritte bei der Gebirgsflächensuche. Jahrstorfers altgedienter C-Hund Andi musste im April 2013 eingeschläfert werden.

Die Ausbildung, ein Geduldspiel
Der Großteil des Landkreises besteht aus unwegsamen Gelände, das meist schon wenige Meter neben der befestigten Straßen und Wege beginnt; angefangen von hügeligen Wiesen und Wäldern wie am Teisenberg oder am Högl bis hin zu hochalpinen Regionen am Hochkalter oder Watzmann, wo vor allem extreme Wettereinflüsse, plötzliche Temperaturschwankungen und Absturzgefahr den Hundeführern die Arbeit schwer machen. Bei der rund dreijährigen Ausbildung zum Lawinen- und Suchhund wird vor allem der Spieltrieb der Tiere genutzt. „Wir trainieren nicht den angeborenen Geruchsinn der Hunde. Wir bringen ihnen nur bei, dass sie die gestellten Aufgaben wesentlich einfacher lösen, wenn sie ihre Nase einsetzen“, erklärt Staffelleiter Stefan Strecker, dessen voll ausgebildeter und geprüfter Labradorrüde Janosch als C-Hund schon zu den alten Hasen gehört. Die Ausbildung der Hunde ist zeitintensiv, fordert viel Geduld, ist eigentlich nur etwas für echte Fanaten und nicht immer von Erfolg gekrönt; nicht jedes Tier ist geeignet und frühestens nach drei Jahren sind Hund und Herrchen fit genug für echte Einsätze - mit zehn Jahren fallen die ersten Tiere bereits alters- und gesundheitsbedingt wieder aus. Viel Arbeit und Aufwand für eine kurze Zeit, in der der Vierbeiner nur mit viel Glück einen Verschütteten oder Vermissten lebend findet. Neben jeweils einer Woche Sommer- und Winterlehrgang finden monatlich größere Übungen und Motivations- und Unterordnungstraining statt. Zusätzlich nimmt der Hundeführer in seiner jeweiligen Bergwacht-Bereitschaft an weiteren Übungen teil und trainiert nahezu täglich auch privat zu Hause mit seinem Vierbeiner die eingespielten Abläufe.

Feinsinnige Hundenasen kombiniert mit moderner Technik
Nicht jeder Hund taugt zum Suchhund. Das Tier braucht eine große Stressresistenz, muss aufs Wort gehorchen und körperlich absolut fit sein. C-Hunde wie Janosch oder Max sind voll ausgebildet und arbeiten flink und effektiv, lassen auf der Lawine Apparate wie Radar- oder Lawinen-Verschütteten-Suchgeräte (LVS) hinter sich. Trotzdem kombinieren die Retter die Fähigkeiten des Hundes mit moderner Technik. „Sommer wie Winter müssen wir oft riesige Gebiete absuchen, wenn am Berg jemand vermisst wird und haben meist keine genaueren Angaben, um das in Frage kommende Gebiet genauer einzugrenzen. Dabei vergehen für verletzte und unterkühlte Patienten wertvolle Stunden“, berichtet Strecker. Seit einigen Jahren werden deshalb bei Bedarf von den Hunden auch GPS-Empfänger getragen, die die zurückgelegte Wegstrecke permanent aufzeichnen, die dann immer wieder am Computer ausgewertet wird. Strecker: „Kreuzen sich die Linien am Bildschirm, läuft der Hund also mehrmals über dieselbe Stelle, hat er mit großer Wahrscheinlichkeit die Witterung des Vermissten aufgenommen – den entsprechenden Teilabschnitt suchen wir dann nochmals genauer ab.“ Auf der Lawine trägt der Hund in Geschirrtaschen ein auf Suchen eingestelltes LVS-Gerät bei sich, das seine Töne per Funk an den Hundeführer schickt. Riechelmann: „Max ist am Berg wesentlich flinker unterwegs als ich und meistert große Flächen in kürzester Zeit. Nähert er sich einem Verschütteten mit LVS-Gerät, bekomme ich das per Tonsignal sofort mit und kann reagieren.“

Ein Lawinenhund ersetzt 20 Bergwachtleute
Im gesamten Alpenraum sterben jährlich rund 120 Menschen nach Lawinenverschüttung. Die Tendenz ist aufgrund immer größerer Risikobereitschaft steigend. Ein Lawinenhund ersetzt bei der Suche nach Verschütteten und Vermissten 20 Bergwachtleute und sein Geruchsvermögen ist rund eine Million mal besser wie das des Menschen: Nach wie vor ist der Einsatz von Hunden die effektivste Methode, um Lawinenopfer schnell und effektiv aufzuspüren. Auf der Lawine verweist der Hund durch Scharren im Schnee, bei der Flächensuche im Sommer zeigt er dem Hundeführer an, dass er etwas gewittert hat, indem er zurückkommt und sein Bringsel, das er immer um den Hals trägt, ins Maul nimmt. „Das ist besser als lautes Bellen, da viele Menschen sonst Angst vor dem Hund bekommen würden“, erklärt Riechelmann.

„Immer wieder rufen Hundebesitzer bei uns im Büro an, die mit ihrem Vierbeiner etwas Sinnvolles machen wollen. Das ist gut gemeint, aber nicht so einfach, denn Lawinenhundeführer kann bei uns nur werden, wer die komplette, anspruchsvolle Bergwacht-Grundausbildung durchlaufen hat“, weiß Regionalgeschäftsführer Ludwig Lang. Nicht ohne Grund, denn ein Lawineneinsatz ist bedingt durch Gelände, Zeitdruck und mögliche Nachlawinen mitunter das Schwierigste und Gefährlichste, was der Bergwachtdienst zu bieten hat. Der Hundeführer kommt in der Regel mit dem Hubschrauber als erster am Lawinenkegel an, muss als Einsatzleiter sofort die richtigen Entscheidungen treffen, einige Zeit alleine klarkommen und gegebenenfalls durch schwieriges Gelände abfahren. Die Vierbeiner wissen nichts von ihrem ernsten Job, bei dem es um Leben und Tod geht: Für die Hunde ist alles nur ein großes Spiel.

Pressemitteilung BRK BGL
Bilder © Goebel BRK BGL
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