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Weltraumforschung des kleinen Mannes: Das Phänomen Höhle ergründen

Gutachterkreis für Alpinunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung (GAK) informiert sich über Höhlen- und Karstforschung und Höhlenrettung

Schon immer haben Höhlen den Menschen angezogen und fasziniert. Während früher kultische und religiöse Gründe sowie der Schutz vor Unwetter, Krieg und Verfolgung ausschlaggebend waren, geht es den heutigen Höhlenforschern und -begeisterten vor allem um das Phänomen Höhle aus naturkundlicher Sicht: In unbekanntes Neuland vorzudringen, Geheinisse entdecken, wo noch keiner zuvor war – Höhlentouren sind die Weltraumforschung des kleinen Mannes und liegen voll im Trend. Grund genug für den Deutschen Gutachterkreis für Alpinunfälle, alpine Ausrüstung und Materialprüfung (GAK), sich bei seiner Tagesfortbildung im Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) der Bergwacht Bayern in Bad Tölz detailliert mit der Thematik auseinandersetzten. Andreas Wolf, der zweite Vorsitzende des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher e. V. (VDHK), zugleich Geschäftsführer des Instituts für angewandte Karst- und Höhlenforschung, stand den Experten Rede und Antwort und stellte mit seinem Bergwacht-Team die aktuellen Strukturen und Techniken der Höhlenrettung vor.

Grundlegende Sicherheitstipps
Um bei einer Höhlentour auf Nummer Sicher zu gehen, sollte man nie alleine gehen, immer mindestens zwei unabhängige Lichtquellen pro Person mitnehmen, einer vertrauenswürdigen Person Bescheid geben, wie die Höhle heißt und erreichbar ist, wie viele in der Höhle unterwegs sind, welche Ausrüstung mitgeführt wird, bis wann man ungefähr wieder aus der Höhle sein wird und ab wann die Höhlenrettung alarmiert werden sollte. Selbst Hilfe rufen ist schwierig, denn der massive Fels schirmt Handy- und Funknetze völlig ab.

Höhlenretter bringen bei Live-Vorführung Experten-Gremium zum Staunen
Bergwacht-Geschäftsführer Gerhard Opperer erklärte dem Fachgremium die Organisations- und Ausbildungsstrukturen der Bergwacht Bayern und stellte anschließend die weltweit einmalige Simulationsanlage für die Berg- und Luftrettung vor. Dass Höhlenretter echte Technikprofis sind, die in einer wahren Materialschlacht unter Tage aufwendige Seilbahn- und Aufzugsysteme errichten können, demonstrierte ein Team der Höhlenrettung Südbayern bei einer Live-Vorführung mit der aktuellen Höhlenrettungstrage „Nest“ zwischen den Stahlstreben der Luftrettungssimulationshalle.

Berchtesgadener Alpen besonders reich an Höhlen
Vor allem die Berchtesgadener Alpen zeichnen sich als Kalkgebirge mit leicht wasserlöslichem Gestein durch einen außergewöhnlichen Höhlenreichtum aus. Die längste und zugleich tiefste Höhle Deutschlands liegt direkt vor den Toren der Kurstadt im Untersberg: Das Riesending ist mehr als 15 Kilometer lang und rund einen Kilometer tief. Der Reichenhaller Dr. Klaus Burger, GAK-Vorsitzender, stellvertretender Direktor des Laufener Amtsgerichts und zugleich Bereitschaftsleiter der Bergwacht Bad Reichenhall, wählte bewusst das auch vielen der Gutachter weitgehend unbekannte Thema Höhlenforschung und –rettung, denn die Techniken und Ausrüstungsgegenstände sind speziell den harten Anforderungen unter Tage angepasst und unterscheiden sich teilweise sehr von denen beim herkömmlichen Klettern oder Bergsteigen. Auch die robusteste Ausrüstung geht in der Höhle früher oder später kaputt, denn Wasser, chemische Einflüsse und Kälte oder Wärme nagen am Material. Umso tiefer es in den Untergrund geht, desto mehr Logistik ist notwendig. Da viele Höhlen wasserführend sind, bewegen sich die Forscher seit den 50er Jahren auch mit Tauchgeräten durch den Untergrund. Gefährlich wird es, wenn das Wasser durch viel Niederschlag unerwartet von oben kommt, was sehr schnell gehen kann. Weltklasse-Regisseur James Cameron greift das Thema in seinem jüngsten Kinofilm „Sanctum“ auf, der von einer Expedition in den Esa-ala-Unterwasserhöhlen in Papua Neuguinea handelt und eine Vater-Sohn-Geschichte mit tragischem Ausgang erzählt.

Das Reich von Fledermaus und Maulwurf erforschen und schützen
Als bundesweiter Verband mit rund 2.500 Mitgliedern, fünf Landesverbänden und 88 Vereinen verfolgt der VDHK mehrere Ziele, unter anderem die Erforschung (Speläologie) und den Schutz von Höhlen- und Karsterscheinungen, die Bündelung von Forschungs- und Rettungsaktivitäten, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für seine Mitglieder, nationale und internationale Interessensvertretung und den Unterhalt der deutschlandweit größten höhlenkundlichen Fachbibliothek. Bundesweit sind bisher rund 50.000 Höhlenobjekte registriert, aber nur 11.000 katastermäßig erfasst. Da der Höhlentourismus zunimmt und Höhlentouren auch zur Erlebnispädagogik angeboten werden, will der VDHK mit seinem Wissensvorsprung Aufklärungs- und Ausbildungsarbeit leisten. Vor allem der Schutz von Höhlen und der dort lebenden Tiere und Pflanzen, allen voran der Fledermäuse, liegt den Speläologen am Herzen. „Wenn Du in eine Höhle gehst … nimm nichts mit, lass nichts zurück, zerstöre nichts und schlag nichts tot!“ ist ihr Leitspruch, der gerade während des letzten Jahrhunderts andere nur wenig interessiert hat. Früher wurde der sensible Lebensraum im Untergrund oft auch als Mülldeponie genutzt, wobei die in den Bodenlöchern entsorgten Giftstoffe dann über Jahre hinweg vom Wasser über weite Strecken transportiert und ins Grundwasser eingeschwemmt wurden. Andreas Wolf führte beispielhaft für die Altlastenerkundung den Predigtstuhlschacht im Lattengebirge auf, in dem die Höhlenforscher einen riesigen Abfallklumpen entdeckt haben.

Die Natur hat uns im Griff, nicht umgekehrt
Höhlenretter sind ausdauernde Spezialisten fürs Extreme, wenn´s stockdunkel, feucht, kalt und vor allem eng wird. In Teamarbeit schieben, drücken, ziehen und stemmen sie einen liegenden Patienten an Engstellen vorbei, die gerade einmal so breit sind, dass man mit angezogenen Schultern selbst hindurchkriechen kann. Höhlenrettungseinsätze sind aber höchst selten: Ihre Anzahl bewegt sich bayernweit pro Jahr im einstelligen Bereich, denn wenn sich ein Unfall ereignet, helfen sich die bestens organisierten Höhlenforscher meist gegenseitig, weshalb Notfälle oft gar nicht bekannt werden. „Die Natur hat uns im Griff, nicht umgekehrt“, sagen die Speläologen mit der notwendigen Ehrfurcht vor der ewig dunklen Welt unter Tage. Wenn aber etwas passiert, wird es richtig aufwendig, denn die Versorgung und der Abtransport eines Verletzten aus einer Höhle ist mit das Schwierigste und Zeitintensivste, was der Bergwachtdienst zu bieten hat. „Die Einsätze können Tage dauern und die Patienten psychisch sehr belasten, weshalb Krisenintervention bei uns eine wichtige Rolle spielt“, erklärte Wolf, der sich selbst als Bergwachtmann an der Höhlenrettungswache in Murnau ehrenamtlich engagiert.

Bundesweit sind acht verschiedene Organisationen in der Höhlenrettung aktiv
Mit dem neuen Bayerischen Rettungsdienstgesetz (BayRDG) hat der Freistaat die Bergwacht Bayern im Bayerischen Roten Kreuz (BRK) vor drei Jahren offiziell mit der Durchführung der Höhlenrettung beauftragt, woraufhin das bestehende Höhlenrettungsnetz um neu geschaffene Rettungswachen ergänzt und ausbildungs- und ausrüstungstechnisch optimiert wurde; aktuell engagieren sich rund 80 Spezialeinsatzkräfte für Höhlenrettung in der Bergwacht. Bundesweit sich insgesamt acht verschiedene Organisationen in der Höhlenrettung aktiv. Der Höhlenrettungsverbund Deutschland (HRVD), ein Arbeitskreis des Verbandes der deutschen Höhlen- und Kartsforscher e.V., hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Erfahrungsaustausch und durch gemeinsame Übungen einheitliche Ausbildungs-, Prüfungs- und Ausrüstungsstandards zu erarbeiten. „Ziel ist es, deutschlandweit Höhlenretter vorzuhalten, die einen gemeinsamen Kenntnisstand zur Lösung grundlegender Aufgabenstellungen in der Höhlenrettung nachweisen können“, erklärte Wolf, der in seinem Vortrag den geschichtlichen Werdegang der Höhlenrettung nachzeichnete. Jörg Obendorf war in den 70er Jahren einer der ersten Speläologen, die sich im Sinne der Kameradenhilfe Gedanken zu einer organisierten Höhlenrettung gemacht haben. Aus seiner Sammlung stellte er den GAK-Mitgliedern und Gästen historische Sicherungs- und Rettungstechnik der letzten Jahrzehnte vor, darunter Steigklemmen, Abseilgeräte und Karabiner, aber auch die erste Höhlenrettungstrage, umgebaut aus einer ehemaligen U-Boot-Trage. Erst viele Jahre später fanden die einzelnen Höhlenrettungsgruppen zum Roten Kreuz, wobei Ausbildung und Organisation der Bergwacht angegliedert und standardisiert wurden. Bis in die 50er Jahre gab es keine Abseilgeräte, Steigklemmen oder Schlaze; die Menschen stiegen mit Leitern und in dicke Wolljacken gekleidet in die Höhlen ab.

Pressemitteilung BRK BGL
Bilder © Leitner BRK BGL
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