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Beistand in den schwierigsten Stunden: BRK-Kriseninterventionsdienst bei 55 Einsätzen gefordert

Rein ehrenamtlich & durch Spenden finanziert: Krisenberater durchschnittlich dreieinhalb Stunden pro Betreuung gefordert

Eine der häufigsten Einsatzindikationen für den Kriseninterventionsdienst KID) des Roten Kreuzes ist die gemeinsame Übermittlung einer Todesnachricht mit der Polizei und die anschließende Betreuung der Angehörigen. Um die enge Zusammenarbeit mit den verschiedenen Dienststellen der Schutz- und Kriminalpolizei weiter zu verbessern, fand eine gemeinsame Fortbildung mit der Kripo Traunstein statt. Die aktuell 25 Krisenberater des Roten Kreuzes arbeiten alle ehrenamtlich und finanzieren Ausbildung, Ausrüstung und Supervision aus Spendengeldern. Das Team rund um Fachdienstleiter Helmut Langosch war 2011 im Landkreis bei 55 Einsätzen gefordert.

Fast nur noch schwere und sehr schwierige Einsätze
„Das sind weniger als im Vorjahr, was vor allem daran liegt, dass sich die Einsatzkräfte mit dem Thema beschäftigt haben und die Indikationen zielgerichteter sind. Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr erkennen immer besser, wann eine Betreuung wirklich notwendig ist. Die Intensität mit durchschnittlich dreieinhalb Stunden pro Betreuung hat deutlich zugenommen. Wenn wir mittlerweile angefordert werden, dann fast nur noch zu sehr schweren und schwierigen Einsätzen“, erklärt Langosch. Er ist Fachdienstleiter für Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) der BRK-Bereitschaften im Berchtesgadener Land und hat den relativ jungen Dienst des Roten Kreuzes vor über zehn Jahren ins Leben gerufen und mit viel persönlichem Einsatz aufgebaut. Was ist von Anfang an gleich geblieben? Der Dienst ist für alle Betroffenen kostenlos, die Helfer arbeiten alle ehrenamtlich und im Stillen und ihre Ausbildung und Supervision wird zu hundert Prozent über Spenden finanziert.

Gemeinsame Fortbildung mit der Kripo
Die freiwilligen Krisenberater kommen meist dann zum Einsatz, wenn jemand verstirbt und Angehörige zu betreuen sind. Aber auch bei Großschadenslagen, wie beim tragischen Eishallenunglück in Bad Reichenhall oder bei Bus- und Zugunglücken, sind sie eine von vielen Einsatzgruppen, die sich um Verletzte und Angehörige kümmern, wenn für sie plötzlich und völlig unvorbereitet das Chaos in ihrem Leben eintritt. Mit der Polizei müssen sie immer wieder Todesnachrichten an Angehörige überbringen und sie anschließend in den schwersten Stunden betreuen; eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt, um die sie niemand beneidet. Zur Verbesserung der engen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Dienststellen der Schutz- und Kriminalpolizei waren die beiden Kommissare der Kriminalpolizeiinspektion Traunstein, Bernhard Gollinger und Gerhard Haberzett eingeladen, um aus polizeilicher Sicht ihre Erfahrungen zu schildern und Verbesserungsvorschläge zu diskutieren. Im katholischen Pfarrheim der Kirchenstiftung Maria Geburt in Piding konnten die ehrenamtlichen Krisenberater ihre Gedanken und Erlebnisse mit dem gemeinsamen Ziel austauschen, eine optimale Betreuung von Menschen zu gewährleisten, die zutiefst verzweifelt und verunsichert sind. „Die gemeinsame Fortbildung war besonders wichtig, um Erfahrungen auszutauschen und sich persönlich besser kennenzulernen“, erklärt Michael Storch, der sich seit acht Jahren im KID engagiert.

Ständig auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen
Als Fachdienst der BRK-Bereitschaften muss die Psychosoziale Notfallversorgung speziell bei Großschadenlagen nicht auf Helfer aus den Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG´n) zurückgreifen, sondern ist autark einsatzbereit. Dadurch arbeiten die Krisenberater selbständig und binden keine Sanitäter, die sich um die Verletzten kümmern müssen. Da der KID einen flächenmäßig großen Bereich abdecken muss, ist es auf die Mitarbeit vieler Helfer angewiesen. „Wer sich für diese wichtige, ehrenamtliche Aufgabe im BRK interessiert, kann sich bei Helmut Langosch unter der Telefonnummer +49 (0)175 1586874 informieren“, erklärt Storch. Angefordert wird der KID im Ernstfall über die vorwahlfreie Notrufnummer 112 bei der Leitstelle Traunstein, die die Helfer dann per Funkmeldeempfänger alarmiert.

Über Spenden finanziert: Einsätze sind kostenfrei
Im Schatten des Blaulichts, abseits spektakulärer Einsatzstellen leisten die ehrenamtlichen Krisenberater des Roten Kreuzes oft mehrmals pro Woche denjenigen Menschen Beistand, die nach einem Notfallereignis unter starken seelischen Belastungen leiden oder unter akutem psychischem Schock stehen. Die Einsätze erfolgen immer kostenfrei, da der Dienst ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Davon braucht das Rote Kreuz jede Menge, denn für Aus- und Fortbildung sowie Supervision fallen jährlich hohe Kosten an. „Wir müssen 2.200 Euro für Supervision ausgeben und planen im Herbst 2013 einen weiteren Grundlehrgang, der pro Teilnehmer rund 700 Euro kostet“, erklärt Langosch. Das Geld ist gut investiert, denn der vor elf Jahren ins Leben gerufene Dienst hat sich bewährt wie kein anderer: Durchwegs positive Rückmeldungen von Betroffenen, die unmittelbar nach schweren Unglücken oder dem Tod eines nahestehenden Menschen betreut wurden, bestätigen den ehrenamtlichen Krisenberatern, dass ihre Arbeit ein unverzichtbarer Bestandteil im Rettungsdienst geworden ist.

Von den ersten Gehversuchen zur Institution
„Mit dem KID können wir den Menschen unmittelbar helfen und dazu beitragen, dass seelische Langzeitschäden ausbleiben“, erklärt Langosch, der als Vorreiter in der Region mit seinem Projekt eine Lücke geschlossen hat. Als er als Pionier vor zehn Jahren seine ersten Gehversuche machte, riefen die Einsatzkräfte noch Tag und Nacht bei ihm persönlich am Handy an, wenn Betroffene oder Angehörige von schwer Verletzten oder Verstorbenen akut psychische Erste Hilfe brauchten – KID war für die meisten damals noch ein Fremdwort und die „Psychosanis“ wurden oft als Exoten belächelt. Heute, rund 800 Einsätze und einige tausend betreute Menschen später, ist der Dienst längst institutionalisiert und die Ausbildung standardisiert: Die derzeit 25 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Psychosozialen Notfallversorgung des Roten Kreuzes werden von der Leitstelle Traunstein alarmiert und KID, aber auch Critical-Incident-Stress-Management (CISM), die Hilfe für die Helfer, gehören bei schweren Einsätzen so selbstverständlich mit dazu wie Notarzt, Rettungsdienst oder Feuerwehr.

Wir therapieren nicht, sondern bauen Brücken
„Wenn ein psychiatrischer Notfall oder Selbstmordgefahr vorliegen, dann hören unsere Kompetenzen auf“, erklärt der erfahrene Sanitäter Langosch, der hauptberuflich als Rettungsassistent des Roten Kreuzes in Berchtesgaden arbeitet. Die Krisenberater machen keine Therapie; sie leisten Soforthilfe und bauen Brücken, die dem Traumatisierten Orientierung geben und zum selbstständigen Handeln zurückführen. Da jeder Betroffene anders reagiert, gibt es kein Patentrezept zur Krisenintervention. Lediglich besondere Einsatzlagen wie der plötzliche Kindstod oder schwere Unfälle erfordern eine besondere Ausbildung und Sensibilisierung der Helfer.

Grundlagen PSNV, Krisenintervention & Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen
Unter dem Oberbegriff Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) bieten die BRK-Bereitschaften derzeit drei verschiedene Leistungen an: Die Grundlagen PSNV sollen möglichst bald nach dem traumatischen Ereignis beginnen und das therapiefreie Intervall von rund 30 Minuten bis zum Eintreffen geeigneter Fachkräfte überbrücken. Diese grundlegende psychische Erste Hilfe kann nach einem Wochenendlehrgang jeder Ersthelfer und jede Einsatzkraft anwenden.

Krisenintervention beginnt ebenfalls möglichst während oder kurz nach einem Notfallereignis; die Krisenberater sind durchschnittlich zwei bis vier Stunden im Einsatz und stellen die Weichen für den weiteren psychischen Werdegang des Betroffenen, zielen also auf Nachhaltigkeit ab. Die speziell geschulten Krisenberater haben eine längere Ausbildung und ein Praktikum an der Seite eines erfahrenen Kollegen durchlaufen.

Critical Incident Stress Management (CISM) oder Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE) ist eine speziell auf traumatisierte Einsatzkräfte zugeschnittene Betreuung. CISM bedeutet hauptsächlich Prävention, um Helfern konkrete Anleitungen zur kompetenten Selbsthilfe innerhalb ihrer Einsatzorganisation zu geben.

Krisenberater müssen seelische Last abbauen
Damit die Ehrenamtlichen ihre Erlebnisse bei der Betreuung von Angehörigen und Betroffenen besser verarbeiten können, finden vierteljährlich verpflichtend so genannte Supervisionen statt, bei denen ein neutraler Psychologe den Freiwilligen in Gruppengesprächen hilft, ihre seelische Last nach schweren Einsätzen abzubauen. „Qualität zählt in der Krisenintervention mehr als Quantität, zumal es um einen extrem sensiblen Arbeitsbereich geht, der die Intimsphäre und das Privatleben der Menschen tangiert; ohne ausreichend Erfahrung könnten die Helfer hier viel kaputtmachen“, erklärt Langosch. Der ehrenamtliche Fachdienstleiter wünscht sich für die Zukunft, dass sich weitere Aktive aus den BRK-Gemeinschaften finden, um im KID mitzuarbeiten: „Wir segeln unter der Fahne des Roten Kreuzes und brauchen Mitarbeiter, die sich in der Hilfsorganisation gut auskennen.“

Pressemitteilung BRK BGL

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