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Äußerst turbulentes Jahr: Rettungswachen-Neubau & gefährliche Rettungen

Reichenhaller Bergwacht war 2011 bei 70 Einsätzen und bei Realisierung des Neubaus bis an die Grenzen gefordert

Die Reichenhaller Bergwacht war 2011 bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gefordert: Bei ihrer Jahreshauptversammlung im BRK-Haus blickten Bereitschaftsleiter Dr. Klaus (Nik) Burger und sein Team auf ein mit 70 Einsätzen turbulentes Jahr zurück, das einerseits von viel Arbeit und Sorgen rund um die Finanzierung und den Bau der neuen Bergrettungswache, andererseits aber auch von sehr schweren und mitunter lebensbedrohlichen Rettungsaktionen geprägt war. „Tatkraft und Wille zur Rettung reichten bis an die Grenzen der noch vertretbaren Eigengefährdung“, resümierte Burger mit Blick auf spektakuläre und medial bundesweit hoch gelobte Rettungen. „Der Erwartungsdruck ist enorm, aber wir müssen uns immer wieder dazu zwingen, die Risikobewertungen im Einsatz ständig zu überdenken.“

Rekordverdächtiger Baufortschritt
Der lange und hürdenreiche Weg bis zum Bau der neuen Bergrettungswache hat gerade dem Leitungsteam rund um Dr. Burger und Projektleiter Marcus Goebel viel Kraft und Nerven gekostet, wobei 2011 mit 70 Einsätzen und mehreren zum Teil auch für die Bergwachtleute lebensgefährlichen Rettungsaktionen ohnehin kein ruhiges Jahr war. Der rekordverdächtige, vom Wettergott begünstigte Baufortschritt an der Reichenbachstraße bei wochenlanger, trockener Witterung von September bis Dezember war dann letztlich Dank und Anerkennung für die vielen Mühen der Ehrenamtlichen, die mit ihrem Großprojekt über zwei Jahre hinweg ein mittelständisches Unternehmen managen mussten. „Wir sind ein absolut gutes Team und unsere Reihen waren geschlossen, wodurch sich nun der Erfolg eingestellt hat“, lobte Burger und dankte zugleich allen Unterstützern und Partnern, aber vor allem seiner Mannschaft und den Bergwacht-Familien für ihren Zusammenhalt und die gute Kameradschaft.

Bis an die Grenzen der noch vertretbaren Eigengefährdung
Burger fasste die Ereignisse knapp und objektiv mit dem Titel „Neubau und gefährliche Rettungen“ zusammen, sprach aber auch sehr offen über seine persönlichen Empfindungen, die zwischen Stolz und Sorge schwanken. Er sei stolz auf die Unterstützung und den Rückhalt in der Bevölkerung, aber auch auf die Leistungen seiner Mannschaft: „Ohne uns wäre die Zahl der Bergtoten höher. Dies ist kein Selbstlob, sondern eine Feststellung. Für nicht wenige Gerettete war die Rettung mitunter eine Selbstverständlichkeit, aber uns darüber nicht aufzuregen, das ist unser Selbstverständnis.“ Etwas Sorge habe er, weil die Tatkraft und der Wille zur Rettung bis an die Grenzen der noch vertretbaren Eigengefährdung reichen würden. „Deshalb sollten wir bei unserem heutigen Blick in den Rückspiegel auch dankbar sein, dass wir selbst von schweren Unfällen und Tragödien verschont blieben.“ Burger erinnerte beispielhaft an eine Nachlawine bei einem Einsatz in einer Rinne im Lattengebirge, an eine Kapprettung eines schwer verletzten Kletterers aus den 400-Meter-Wänden der Reiter Alpe, wo beim Anflug plötzlich eine Slackline als gefährliches Hindernis für den Hubschrauber auftauchte und an die beiden Winter-Einsätze in der bis zu 50 Grad steilen Schreck-, beziehungsweise Alpgartenrinne: „Lebensrettungen bedingen mitunter lebensgefährliche Rettungsszenarien, die sich entwickeln und in dem bedrohlichen Umfang nicht immer vorhersehbar sind. Wir sollten uns aber immer wieder bewusst sein, wie wir es lehren, die Risikobewertungen stets der aktuellen Lage anzupassen.“

Einsatzschwerpunkte im Lattengebirge und am Staufen
„2011 war ein relativ schlechter Winter, dafür lang anhaltend sehr schönes Bergwetter im Spätsommer und Herbst. Die meiste Arbeit hatten wir deshalb von August bis November“, berichtete der stellvertretende Bereitschaftsleiter Christian Schieder, der die überdurchschnittlichen Einsatzzahlen präsentierte. 23 Mal mussten die Retter im Lattengebirge Hilfe leisten, gefolgt vom Staufen (21), Zwiesel (5), fünf Einsätzen auf Straßen und Wanderwegen im Tal, Ristfeuchthorn (5), Reiter Alpe (4), Müllnerhörndl mit Karlsteiner Klettergarten (3), Fuderheuberg (3) und Untersberg (1). Schieder: „Auffällig ist, dass viele Einsätze in der Dämmerung oder bei Dunkelheit stattfanden. 18 allein waren Nachforschungen nach gemeldeten Lichtquellen. Dies sind aber keine Fehleinsätze, da wir über die Alarmierung gefordert sind und überprüfen müssen, ob nicht doch ein Alpines Notsignal oder eine Notlage vorliegen.“ Bereits 2009 und 2006 hatte die Reichenhaller Bergwacht mit jeweils 71 Alarmierungen besonders viel zu tun; 2010 war dagegen gemessen an den Einsatzzahlen (54) eher durchschnittlich.

Fortbildungen als Grundvoraussetzung für gefährliche Einsätze
Vor allem die Aus- und Fortbildung kostet die Ehrenamtlichen enorm viel Zeit, ist aber Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung der oft sehr gefährlichen Einsätze: Die von Ausbildungsleiter Stefan Strecker, Hans Lohwieser und ihren Mitstreitern Markus Furtner und Christoph Trübenbacher organisierten 22 Ausbildungstermine im Jahr 2011 wurden im Schnitt von 17 der aktiven Einsatzkräfte besucht. Ihr Patentrezept: Viele medizinische Fallbeispiele und realitätsnahe Einsatzübungen, bei denen jede Menge Techniken gefragt und möglichst alle Aktiven voll gefordert sind. Zusätzlich zu den Echtübungen mit den verschiedenen Hubschrauberbetreibern absolvierten die Bergwacht-Luftretter ihre Trainingsflüge am Hubschraubersimulator in Bad Tölz. Ein harter Weg ist seit der neuen Prüfungsordnung von 2009 die Anwärterausbildung; die Umstrukturierung sei aber notwendig gewesen, da der professionelle Auftrag der Bergwacht nun im neuen Bayerischen Rettungsdienstgesetz fest verankert ist.

Zur Reichenhaller Bergwacht gehören auch drei Canyon-Retter und zwei Hundeführer, die zusätzlich zur Ausbildung in der Bereitschaft weitere Fortbildungen organisierten. Bei separaten Terminen, zum Teil in Zusammenarbeit mit Feuerwehr oder Polizei, wurden die Einsatzleiter fortgebildet. 2012 stehen als Schwerpunkte die Baumbergung, insbesondere von abgestürzten Gleitschirmpiloten, der Umgang mit den neuen Dyneemaseilen, die die Statikseile ersetzen sollen, Funkkommunikation, Neuerungen in der Notfallmedizin und die Seilbahnrettung an der Predigtstuhlbahn auf dem Programm.

2011 fanden auch 128 Naturschutzstreifen der Bergwacht statt, was die Präsenz der Reichenhaller Bergretter auch abseits der Einsätze in den heimischen Bergen verdeutlicht. Peter Windstoßer kümmerte sich federführend um die Neugestaltung und Pflege der Bergwacht-Internetseite, die unter www.bergwacht-reichenhall.de erreichbar ist.

Urs Strozynski setzte mit seinem Rücktritt ein Zeichen
Vor rund einem Jahr war die Perspektive für die ehrenamtlichen Bergretter noch düster, denn die Finanzierung der geplanten Bergrettungswache schien ein nicht realisierbarer Kraftakt zu sein: Als Bereitschaftsleiter Urs Strozynski zurücktrat und damit ein selbstloses und überregional wahrnehmbares Zeichen setzte, wurde vielen die schwierige Lage der Reichenhaller Bergwacht erst so richtig bewusst. Dank der breiten Medienberichterstattung traten unerwartet neue Förderer auf den Plan, mit deren Hilfe und viel Einsatz der Bergwacht im September 2011 die Baugenehmigung erteilt und mit dem Bau begonnen werden konnte. Heute ist der Großteil des Kraftakts geschafft: Rauch steigt aus dem Kamin des neuen Heims an der Reichenbachstraße vor dem schneeweißen Staufen in den Himmel auf, drinnen ist es bereits warm und die Ausbauarbeiten laufen auf Hochtouren. Bereitschaftsleiter Burger lobte die unnachgiebige Regie von Projektleiter und Pressesprecher Marcus Goebel, Bauleiter Hans Lohwieser, Walter Aßmann, Planer Martin Neubauer und ihren vielen Mitstreitern. Am 16. Juni wird die Einweihungsfeier und am 17. Juni zum Jubiläum „110 Jahre organisierte Bergrettung in Bad Reichenhall“ ein Tag der offenen Tür stattfinden.

Doppelte Belastung durch Neubau
Aktuelle gehören 40 aktive Einsatzkräfte, acht Anwärter, zwei Suchhunde und 18 weitere, wichtige Mitglieder mit Zusatzaufgaben zur Reichenhaller Bergwacht. Die Ehrenamtlichen waren neben dem ohnehin schon zeitintensiven Bergwachtdienst mit Einsätzen, Übungen und Fortbildungen doppelt belastet, um ihr großes Projekt, den Bau der neuen Bergrettungswache an der Reichenbachstraße, zu realisieren. Pausenlos Spenden sammeln, etliche Benefizveranstaltungen organisieren und durchführen, Bauplanungen und Besprechungen, Fernsehinterviews, intensive Medienarbeit und einige Hürdensteine, die hohe Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen voraussetzten, haben gerade beim Leitungsteam nahezu die gesamte Freizeit ausgefüllt. Kassier Werner Thaler hat seit Monaten enorm viel Arbeit, kann sich aber über den großen Rückhalt aus der Bevölkerung und die hohe Spendenbereitschaft nur freuen: Er präsentierte den Jahresabschluss der Reichenhaller Bergwacht, dessen Bilanzsumme aufgrund des Neubaus die Dimensionen eines mittelständischen Unternehmens erreicht hat. Auch der Förderverein mit seinen Chefs Martin Neubauer, Manfred Abfalter und Tom Dendl hat mittlerweile über 100 Mitglieder und ist gesellschaftlich fest verankert.

Seit vier Jahrzehnten ehrenamtlich für die Bergwacht aktiv
Burger und Schieder zeichneten Holger Mayerl und Herrmann Votz für 40-jährige aktive Mitarbeit mit dem goldenen Ehrenzeichen der Bergwacht Bayern aus. Franz Stangassinger ist seit 25 Jahren bei der Bergwacht und bekam dafür das silberne Ehrenzeichnen verliehen. Seit 1972 engagiert sich Holger Mayerl in der Bergwacht. Er war als Nachfolger von Toni Michl von 1981 bis 1993 Bereitschaftsleiter und ist heute Chronist der Einsatzbücher. Herrmann Votz, vielen bekannt als Hüttenwirt der Traunsteiner Hütte, ist ebenfalls seit 1972 bei der Bergwacht. Franz Stangassinger ist hauptberuflich bei der Bundeswehr auf der Reiter Alpe beschäftigt und dort als aktiver Retter für die Bergwacht als Verbindungsmann immer erreichbar.

Viel Lob für ehrenamtliche Arbeit
Die Hälfte aller Bergeinsätze des Traunsteiner Rettungshubschraubers „Christoph 14“ fanden 2011 zusammen mit den Bergwachten Berchtesgaden und Bad Reichenhall statt. „Der Erwartungs- und Erfolgsdruck im Rettungswesen ist mittlerweile enorm – aber wenn man sich bemüht, den richtigen Ton zu finden und den anderen zu verstehen, gibt es menschlich keine Probleme und sachlich gute Lösungen“, sagte Burger, der sich dabei für die gute Zusammenarbeit mit allen Partnern im Einsatzfall bedankte. Bad Reichenhalls dritter Bürgermeister Sebastian Renoth, Pidings zweiter Bürgermeister Walter Pfannenstill, Oberstleutnant Michael Herrmann von der Gebirgsjägerbrigade 23, Pilot Eckart Steinau von der Rettungshubschrauber-Station „Christoph 14“ in Traunstein, Bad Reichenhalls Polizeichef Wilhelm Bertlein und der Berchtesgadener Bergwacht-Bereitschaftsleiter Franz Brandner lobten die Reichenhaller Bergwacht in ihren Grußworten für die geleistete ehrenamtliche Arbeit. Herrmann bedankte sich, da die Bergwacht unter anderem 2011 mehrere Soldaten im Dienst gerettet hatte.

Pressemitteilung BRK BGL

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