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Übung: Vermisster in der Pfingsthöhle im Müllnerhörndl

Glitschiger Schlamm, Wasser und ewige Finsternis: Nächtliche Übungstour der Freilassinger Höhlenrettungsgruppe führt in die hintersten Winkel des weit verzweigten Röhren- Spalt- und Schachtsystems.

Sie war bereits Schauplatz echter Einsätze und spektakulärer Übungen und ist vermutlich das dreckigste und stellenweise engste Loch in den Berchtesgadener und Chiemgauer Bergen, aber dennoch zauberhaft schön: Die Höhlenrettungsgruppe der Bergwacht Freilassing hat bei einer ihrer abendlichen Fortbildungstouren in der Pfingsthöhle in den Südosthängen des Müllnerhörndls hoch über dem Saalachsee die Suche nach einem vermissten Höhlengeher geübt. Angenommen wurde, dass ein Bergsteiger am Montagnachmittag einen Tagesrucksack mit Autoschlüssel am Höhleneingang findet und dann per Notruf die Leitstelle Traunstein informiert. Die alarmierte Höhlenrettung rückt um 18.15 Uhr aus und durchsucht das Objekt bis in die hintersten Winkel, um festzustellen, ob dort jemand in Not geraten ist und womöglich Hilfe braucht.

„Es ist durchaus möglich, dass wir hier mal jemanden raus holen müssen. Die Adventhöhle und die Pfingsthöhle gehören zum selben System und sind eines der wenigen Objekte im Landkreis, die auch touristisch genutzt werden“, erklärt Höhlenrettungschef Peter Hogger, der seit Jahrzehnten im Innern der Berge unterwegs ist und die Freilassinger Rettungsgruppe mit aufgebaut hat. Ihre beiden Eingänge liegen nah beieinander: Unter dem Namen „Fango Extreme“, was so viel bedeutet wie „besonders schlammig“, führt ein heimischer Outdoor-Anbieter regelmäßig Höhlenbegeisterte ins Müllnerhörndl hinein. Im Look der Indiana-Jones-Filme ziehen sich dicke Taustrecken mit Halteknoten durch die engen Gänge im vorderen, weitgehend vertikalen Bereich. Die hintersten Winkel des Systems bleiben den Meisten aber wegen steiler Aufstiege, Abseilstellen und besonders enger Durchgänge verwehrt.

Über ein steiles, ausgetrocknetes Bachbett mit vielen Wackelsteinen gehts mit umfangreicher Ausrüstung zum 200 Meter höher gelegenen Eingang hinauf. Raus aus den verschwitzten Klamotten, rein in die Höhlenoveralls: Warmer Unterschlaz, robuster Oberschlaz, Spezialgurt, Karabiner, Abseilgerät, Steigklemmen, Knieschoner, Handschuhe, Bohrmaschine, Seile, Helm und Stirnlampe. Fürs Höhlengehen braucht man ganz schön viel Zeugs und das ist besonders schwer und robust, da es in der Höhle durch scharfe Kanten und den feuchten und feinen Sand stärker beansprucht wird und deshalb auch mehr aushalten muss.

Bei ausgeschalteter Stirnlampe ist es stockdunkel und man hört nur noch dumpf hallende Geräusche aus der Ferne. Die bizarren Felsstrukturen rundherum erinnern an eine zauberhafte, fremde Welt: In so einer Höhle spielen Grimm´sche Märchen, hier wohnen uralte Zwerge und der böse Wolf! Es ist feucht, es ist kalt und wer sich nicht bewegt kühlt rasch aus. Innerhalb weniger Minuten ist alles vom braunen Lehm verdreckt. Auf dem Weg verlieren sich die beiden Dreier-Gruppen aus den Augen. Das Wasser hat den Kalkstein des Bergs über Jahrtausende hinweg auf dem Weg ins Tal Richtung Saalach wie einen Schweizer Käse durchlöchert und rinnt nach starken Regenfällen noch immer. Am Eingang ist ein kleiner Wasserfall und in den Gängen und kleinen Gumpen steht und rinnt das kalte Tropfwasser knöchel- bis kniehoch unter den Höhlenrettern hinweg, die sich wie durch einen schlammigen Schützengraben im Dauerregen ihren Weg ins Innere des Bergs erkämpfen.

„Wir nennen diese kleine Gumpe da vorne Todessumpf; weiter hinten folgt die Lehmrutsche, eine glitschige Platte in einem engen Spalt, auf der man am Hintern hinabgleiten kann“, erzählt Hogger. Extrem enge, gewundene Gangstrecken im Wechsel mit absturzgefährlichen Spalten und überall von dickem, glitschigen Lehm überzogener Fels. „Vor über zwei Jahren haben wir hier trotz all der Engstellen einen liegenden Übungsmimen in unsrer Spezialtrage hinaustransportiert“, erinnert sich Hogger stolz auf seine zähe Truppe. Am Ende des so genannten Treppenhauses im hintersten Teil der Höhle ist für die meisten Retter Schluss; denn nur die ganz Dünnen können sich noch durch den engen Felsspalt zwängen – Ende der heutigen Erkundungstour; vom Vermissten fehlt aber weiter jede Spur, ihn hat das Innere des Müllnerhörndls verschluckt. „In naher Zukunft könnten wir bei echten Einsätzen auch hier noch weiter, denn wir bekommen zusätzliche Ausrüstung und wurden bereits ausgebildet, um Engstellen wie hier weiter aufzusprengen“, erklärt Hoggers Stellvertreter Rudi Hiebl.

Über eine nasse, zehn Meter tiefe Abseilstelle samt Wasserfall führt der Weg zurück in Richtung Ausgang; das Seil ist derart aufgequollen, dass es gerade noch ins Abseilgerät passt – Canyoning mitten im Berg! Gegen 23.30 Uhr treffen alle wieder vollzählig am Saalachsee-Uferweg ein; bei Peter zu Hause in Piding folgt eine Nachbesprechung mit Mitternachtsbrotzeit. Nach einer derartigen Tour kann man nur noch erahnen, dass die robusten Goretex-Schlaze einmal blaurot- oder gelb waren. Alle sind von Kopf bis Fuß eingelehmt und so braun wie die Höhle selbst. Stundenlange Reinigungsarbeiten stehen bevor, aber auch das gehört dazu, und Höhlenretter haben aus Erfahrung eine große Waschmaschine im Keller stehen.

Getreu ihrem Motto „geht nicht gibts nicht!“ meistern die Freilassinger Höhlenretter regelmäßig bei ihren Übungen mit viel Muskelkraft, Idealismus und Einfallsreichtum schwierige Aufgaben im Innern der heimischen Berge; Einsätze sind eher selten, wenn aber etwas passiert, dauern die Rettungsaktionen erfahrungsgemäß viele Stunden bis Tage und fordern einen Schichtbetrieb mit sehr viel Personal und Ausrüstung. „Höhlenrettung ist ein oft schonungsloser Einsatz für Mensch und Material in einer doch sehr rauen und lebensfeindlichen Umgebung. Durchhaltevermögen und starke Nerven sind gefragt!“, erklärt Hogger.

red/Pressemitteilung BRK BGL
Bilder © Leitner BRK BGL
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