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Bergwachten in der Region Chiemgau 2013 bei 1.087 Einsätzen gefordert

Fast 19 Prozent mehr Einsätze – 2013 gab es 19 Bergtote in den Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen.

Sie führt Tag und Nacht bei jedem Wetter den Rettungsdienst im alpinen und unwegsamen Gelände durch: Die Bergwacht Bayern ist eine ehrenamtliche Gemeinschaft im Bayerischen Roten Kreuz (BRK) und als einzige Organisation für den Bergrettungsdienst im Freistaat zuständig. Zu den 15 Bereitschaften in der Region Chiemgau (Landkreise Berchtesgadener Land, Traunstein und Altötting) gehören aktuell rund 500 aktive Einsatzkräfte, die im vergangenen Jahr zu 1.087 Einsätzen ausrücken mussten, 173 (fast 19 Prozent) mehr als 2012 und damit so viele wie nie zuvor. „Die Zahl hängt vor allem vom Wetter während der Haupturlaubszeiten und davon ab, ob es einen schneereichen Winter gab, da dann allgemein mehr Leute unterwegs sind und wir in den Skigebieten viel mehr Arbeit haben“, erklärt Regionalgeschäftsführer Ludwig Lang. 2013 war vor allem geprägt von mehreren sehr aufwendigen Rettungseinsätzen, unter anderem in der Watzmann-Ostwand und extremen Wetterereignissen, wobei die Bergwacht auch bei Hochwasser und Waldbränden ihre Stärken ausspielen musste.

19 Bergtote


Im vergangenen Jahr gab es 19 Bergtote in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen; 2012 waren es 18. „Das sind regionale Schwankungen, die einfach davon abhängen, wie viele Leute unterwegs sind. Bayernweit blieb die Zahl aber mit rund 80 bis 100 Toten jährlich während der letzten Jahre ziemlich konstant“, erklärt Lang. Die 1.087 (2012: 914) Einsätze der Bergwachten in der Region Chiemgau für verletzte, erkrankte oder in Bergnot geratene Menschen verteilen sich auf 820 (2012: 703) Notfalleinsätze (Verletzte oder Erkrankte), 141 (2012: 81) so genannte Sondereinsätze (Bergnot), 5 (2012: 4) Krankentransporte und 121 (2012: 126) Fehleinsätze. Im Einzelnen sind das 385 beim Skifahren (2012: 316), 218 beim Wandern (2012: 163), 121 beim Bergsteigen (2012: 188), 90 beim Snowboardfahren (2012: 77), 57 beim Klettern (2012: 39), 30 beim Bergradeln (2012: 22), 20 bei Skitouren (2012: 23), 20 beim Langlaufen (unter anderem Biathlon-Weltcup in Ruhpolding; 2012: 5), 18 beim Gleitschirmfliegen (2012: 16), 11 beim Rodeln (2012: 9), vier beim Höhlengehen (keiner 2012), vier beim Skispringen (keiner 2012), vier beim Schneeschuhwandern (keiner 2012), drei beim Berglaufen (keiner 2012), einer beim Drachenfliegen (2012: 15 Lawineneinsätze (2012: 4), 101 sonstige Einsätze (zum Beispiel Arbeitsunfälle; 2012: 52), 28 Sucheinsätze (2012: 34), 5 Lawineneinsätze (2012: 4) und 4 Katastrophen-Einsätze (Hochwasser, Waldbrand; keiner 2012).

Ob viel los ist, hängt von Wetter und Tourismus ab


„Die Anzahl der Einsätze ist vor allem vom Wetter in Kombination mit dem Tourismus abhängig. Ist zur Ferienzeit gutes Bergwetter, dann sind auch mehr Leute unterwegs – und wo mehr los ist, passiert in der Regel auch mehr. Bei guten Schneeverhältnissen sind mehr Wintersportler am Berg und wir haben automatisch mehr zu tun“, erklärt Thomas Küblbeck, Regionaleiter der Bergwacht Chiemgau. „Die Anzahl der Einsätze verkörpert aber nur teilweise unseren tatsächlichen Aufwand. Wir müssen immer mehr üben, da die Einsätze zusehends schwieriger und komplexer werden, was auch am veränderten Freizeitverhalten liegt. Früher war vor allem im Winter bei schlechten Verhältnissen kaum jemand am Berg unterwegs, heute sind wir das ganze Jahr über, auch oft in der Nacht gefordert“, sagt Küblbeck, der sich dabei vor allem an die aufwendigen Rettungseinsätze im Herbst in der Watzmann-Ostwand und am Untersberg und zwei Lawineneinsätze im Frühjahr am Rauhen Kopf (Untersberg) und auf der Hocheisspitze (Hochkalter) erinnert.

Restschnee, erneute Wintereinbrüche, Hochwasser & Waldbrände


Von Januar bis April mussten die Bergwachten auffällig viele verletzte Wintersportler versorgen, wobei auch abseits der Skigebiete mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, beispielsweise am 21. Januar, als ein Skifahrer am Teisenberg gegen einen Baum prallte, am 27. Januar bei einem Rodelunfall auf der Kühroint-Abfahrt, am 28. Februar bei einem Lawinenabgang am Rauhen Kopf, am 3. und am 16. März bei einem Rodelunfall und einem Skiunfall am Roßfeld und am 13. April bei einem Lawinenabgang an der Hocheisspitze. Der viele Restschnee und erneute, späte Wintereinbrüche in den Höhenlagen machten dann den ersten Bergwanderern zu schaffen und bescherten der Bergwacht weitere teils schwierige Einsätze, beispielsweise am 1. April, als eine vierköpfige Gruppe vom Waxriessteig am Predigtstuhl aus Bergnot gerettet werden musste, am 1. Mai, als eine Frau am Weg zwischen dem Spechtenköpfen und der Schlegelmulde im Schnee steckengeblieben war, am 18. Mai, als ein Bergsteiger am Untersberg über ein Schneefeld abgestürzt war oder am 26. Mai, als ein Bergsteiger wegen Nebel und Neuschnee am Jagersteig am Hochstaufen in Bergnot geraten war. Anfang Juni forderte dann das Hochwasser die Bergwacht auf bisher unbekanntem Terrain: So mussten die Retter Sandsäcke füllen, zusammen mit Hubschrauber-Besatzungen mitten in der Stadt per Rettungstau oder –winde vom Wasser eingeschlossene Menschen ausfliegen oder mit Geländewagen evakuieren, zuerst in Freilassing, dann in Niederbayern. Auf die extremen Niederschläge folgten dann im Juli und August insgesamt vier größere Waldbrände am Engelstein, in der Seeleiten am Thumsee, am Simetsberg oberhalb des Königssees und am Poschberg am Saalachsee, wo die Bergwacht die Einsatzkräfte im Steilgelände sicherte, bei der Brandbekämpfung unterstützte und für medizinische Notfälle bereitstand.

Mehrere schwer Verletzte und Tote bei Abstürzen


Darüber hinaus forderten mehrere, zum Teil sehr schwere Bergrettungseinsätze die Ehrenamtlichen: Am 8. Juni stürzte ein Kind unterhalb des Watzmannhauses rund 100 Meter ab, im Juli und August ereigneten sich insgesamt sechs Notfälle im Gebiet der Reiter Alpe, darunter ein Kletterunfall und ein Herzinfarkt in den steilen Nordwänden, zwei abgestürzte Bergsteiger, ein am 16. August am Edelweißlahner tödlich abgestürztes achtjähriges Mädchen und ein zwei Tage später in der Aschauerklamm abgestürztes zwölfjähriges Mädchen. Am 28. Juli gerieten ein Vater und sein Sohn in einen Weißwasser-Strudel in der Weißbachschlucht am Ristfeuchthorn, am 22. und 23. August ereigneten sich insgesamt gleich drei tödliche Unfälle im Pidinger Klettersteig am Hochstaufen sowie in der Watzmann-Ostwand und an der Eiskapelle. Am 28. August mussten die Freilassinger Höhlenretter zur Lamprechtshöhle in den Salzburger Pinzgau ausrücken, wo eine Touristengruppe vom Wasser eingeschlossen war. Am 4. September stürzte ein Mountainbiker im Bereich Staubfall in den Fischbach ab, am 7. September musste ein erschöpftes Pärchen nachts per Hubschrauber unterhalb der Watzmann-Südspitze gerettet werden. Am 23. September stürzte ein Bergsteiger am Dürreckberg tödlich ab, am 1. und am 4. Oktober fanden zwei große, nächtliche Rettungsaktionen in der Watzmann-Ostwand für einen abgestürzten und zwei in Bergnot geratene Bergsteiger statt; wegen Nebel konnten keine Hubschrauber fliegen, weshalb die Retter zu Fuß aufsteigen und die Patienten abseilen mussten. Auch am 5. Oktober konnte wegen tiefhängender Wolken zunächst kein Hubschrauber zur Toni-Lenz-Hütte am Untersberg fliegen, wo ein Bergsteiger akut intern erkrankt auf Hilfe wartete; weshalb eine aufwendige, bodengebundene Rettungsaktion anlief. Am 6. Oktober stürzte ein 19-Jähriger am Grünstein-Klettersteig ab und verletzte sich schwer. Am 3. November konnten die Bergwacht und der Traunsteiner Rettungshubschrauber „Christoph 14“ zwei wegen eines Wintereinbruchs in der Watzmann-Ostwand in Bergnot geratene Bergsteiger trotz widriger Verhältnisse gerade noch ausfliegen. Gleichzeitig lief eine große Vermisstensuche nach einem Bergsteiger am Untersberg, der dann einen Tag später tödlich abgestürzt aufgefunden wurde.

Hohe Ansprüche an die Bergwacht


Fast täglich fanden weitere, teilweise weniger dramatische Einsätze statt, die ohne die Bergwacht aber vielleicht ganz anders für die Betroffenen ausgegangen wären, beispielsweise am 4. Oktober ein akut intern erkrankter Wanderer zwischen Spechtenköpfen und Schlegelmulde im Lattengebirge, ein Gleitschirmabsturz am 5. Oktober an der Unteren Schlegelalm und am 28. Oktober eine Frau mit schwerer Fußverletzung im Alpgartensteig. Küblbeck: „Viele Bergsteiger erwarten heute, dass trotz schwierigem Gelände und schlechtem Wetter Hilfe genauso schnell ankommt wie im Tal. Diesem Anspruch können wir aber trotz moderner Technik und bester Ausbildung nur bedingt gerecht werden.“ Nach der vollzogenen Strukturreform mit vier Einsatzleitbereichen und einem Netz aus ehrenamtlichen Einsatzleitern, die über insgesamt vier eigene Einsatzleitfahrzeuge verfügen, arbeitet die Bergwacht in der Region Chiemgau trotz ihres ehrenamtlichen Charakters stetig professioneller. Spezialisierte Gruppen stehen zusätzlich zur Rettung aus wasserführenden Schluchten bereit (Canyon-Rettung), kümmern sich um die psychische Betreuung von Betroffenen nach schweren Bergunfällen (Kriseninterventionsdienst (KID)) oder bilden Suchhunde für Lawineneinsätze (Lawinen- und Suchhundestaffel) aus. Die Bergwacht Freilassing ist zusätzlich Bergrettungswache für Höhlenrettung und deckt den südostbayerischen Raum bis Rosenheim und das Salzburger Grenzgebiet in enger Zusammenarbeit mit der Salzburger Höhlenrettung ab; vergangenes Jahr musste sie viermal ausrücken, zweimal davon nach Österreich.

Technik-Bus und vier neue Rettungsfahrzeuge in Dienst gestellt


Wer viel leistet, braucht gute Ausrüstung und Material: 2013 bekam die Bergwacht-Region Chiemgau ein neues Spezialfahrzeug mit Ortungstechnik für Vermisstensuchen im unwegsamen Gelände, vier neue Rettungsfahrzeuge mit notfallmedizinischer und technischer Ausstattung als Ersatzbeschaffung für die in die Jahre gekommenen Autos in Bergen, Grassau, Marktschellenberg und Ruhpolding, zusätzliche Mannschaftsbusse für größere Einsätze, fünf Notfallrucksäcke, acht zusätzliche Frühdefis und rund 60 Kilometer der neuen, extrem stabilen und leichten Dyneema-Seile, die die bisherigen Statikseile ablösen. Das 2012 vollständig ausgebaute Gleichwellen-Funknetz der Bergwacht funktioniert einwandfrei und hat sich bereits bei vielen Einsätzen bewährt. Die zuvor recht störanfällige Funkkommunikation wurde 2011 mit einer im Verhältnis sehr kostengünstigen Lösung optimiert und 2012 mit den noch fehlenden, restlichen Relaisstationen vervollständigt: Die Bergwacht kann sich seitdem in der gesamten Region auch an abgelegenen Orten mit Handfunkgeräten verständigen. „Wir verfügen damit über einen voll funktionsfähigen Einsatzstellenfunk mit sehr guter Sprachqualität“, freut sich Küblbeck. Bergwacht-Notärzte, Rettungsassistenten und –sanitäter haben in einer Arbeitsgruppe einheitlich aufgebaute und gefüllte Notfallrucksäcke entworfen, die nun allen Bergwachten in der Region zur Verfügung stehen. Küblbeck: „Sie sind für die oft harten Anforderungen am Berg ausgelegt und die Einsatzkräfte finden das benötigte medizinische Material Dank des einheitlichen Aufbaus sofort.“

Pressemitteilung BRK BGL

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