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BRK-Kriseninterventionsdienst war 2012 bei 92 Einsätzen gefordert

Rein ehrenamtlich & durch Spenden finanziert: Krisenberater des Roten Kreuzes durchschnittlich dreieinhalb Stunden pro Betreuung im Einsatz.

Der Kriseninterventionsdienst (KID) des Roten Kreuzes war vergangenes Jahr im Berchtesgadener Land bei insgesamt 92 Einsätzen gefordert. „Das sind 37 mehr als 2012, was sich zunächst nicht besonders beeindruckend anhört. Da aber die Intensität mit durchschnittlich dreieinhalb Stunden pro Betreuung immer mehr zugenommen hat, waren unsere Krisenberater sehr beansprucht, oft auch zur Betreuung von mehreren Betroffenen gleichzeitig“, berichtet Helmut Langosch, Fachdienstleiter für Psychosoziale Notfallversorgung der BRK-Bereitschaften im Landkreis. Angefordert wird der KID im Ernstfall über die vorwahlfreie Notrufnummer 112 bei der Leitstelle Traunstein, die die Helfer dann per Funkmeldeempfänger alarmiert.

Wir brauchen auch einfachere Einsätze, damit neue Kollegen lernen können
„Unser Rettungsdienst, die Polizei und die Feuerwehr erkennen mittlerweile immer besser, wann eine Betreuung wirklich notwendig ist, weshalb wir während der vergangenen drei Jahre fast nur noch schwere und sehr schwierige Einsätze bewältigen mussten. Die Einsatzkräfte haben sich mit dem Thema beschäftigt und die Indikationen sind zielgerichteter als in den Anfangsjahren des KID“, erklärt Langosch, der 2012 bewusst gegengesteuert hat. „Für die neuen Kollegen, die an der Seite erfahrener Krisenberater erste praktische Erfahrungen sammeln, ist ein richtig schwerer Einsatz am Anfang möglicherweise zu viel; sie sind unter Umständen überfordert. Wir brauchen auch die einfacheren Einsätze, damit die Hospitanten lernen können.“ Langosch hat den relativ jungen Dienst des Roten Kreuzes vor zwölf Jahren ins Leben gerufen und mit viel persönlichem Einsatz aufgebaut. Was ist von Anfang an gleich geblieben? Der Dienst ist für alle Betroffenen kostenlos, die Helfer arbeiten alle ehrenamtlich und im Stillen und ihre Ausbildung und Supervision wird vom Roten Kreuz zu hundert Prozent über Spenden finanziert.

Über Spenden finanziert: Einsätze sind kostenfrei
Im Schatten des Blaulichts, abseits spektakulärer Einsatzstellen leisten die ehrenamtlichen Krisenberater des Roten Kreuzes oft mehrmals pro Woche denjenigen Menschen Beistand, die nach einem Notfallereignis unter starken seelischen Belastungen leiden oder unter akutem psychischem Schock stehen. Die Einsätze erfolgen immer kostenfrei, da der Dienst ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Davon braucht das Rote Kreuz jede Menge, denn für Aus- und Fortbildung sowie Supervision fallen jährlich hohe Kosten an. „Wir müssen 2.200 Euro für Supervision ausgeben und planen im Herbst 2013 einen weiteren Grundlehrgang, der pro Teilnehmer rund 700 Euro kostet“, erklärt Langosch. Das Geld ist gut investiert, denn der vor zwölf Jahren ins Leben gerufene Dienst hat sich bewährt wie kein anderer: Durchwegs positive Rückmeldungen von Betroffenen, die unmittelbar nach schweren Unglücken oder dem Tod eines nahestehenden Menschen betreut wurden, bestätigen den ehrenamtlichen Krisenberatern, dass ihre Arbeit ein unverzichtbarer Bestandteil im Rettungsdienst geworden ist.

Studium an der Donau-Universität & Krisenintervention an den Schulen
Was gibt es 2013 neues? Die fachliche Kompetenz des KID BGL wird ständig weiterentwickelt und ausgebaut: Helmut Langosch, Daniel Bechtel (Bergwacht im BRK) und Sandra Huber (Technisches Hilfswerk) studieren seit Herbst 2012 berufsbegleitend an den Wochenenden an der Donauuniversität in Krems im Studiengang „Psychotraumatologie und Stressmanagement“. Die Kosten in Höhe von rund 30.000 Euro werden über Spendengelder und vom Landkreis finanziert. Suizid, Unfalltod, plötzlicher Tod, Tod nach längerer Krankheit, sexueller Missbrauch, Morddrohungen und Amoklauf sind Ereignisse, die in Schulen fundamentale Krisen auslösen und Chaos verursachen können. 2013 will das KID deshalb mit einem neuen Projekt die Schulen im Landkreis über Krisenintervention und Präventionsmaßnahmen informieren, da vor allem Todesfälle in Kindes- und Jugendalter einen extrem großen Kreis an Betroffenen tangieren. Schulen sind Orte, in denen das Leben pulsiert und Menschen auf das Leben vorbereitet werden. Vielleicht treffen Schulen Todesfälle auch deshalb besonders schwer. „Vor allem die Lehrer sollten wissen, an wen sie sich zur Akuthilfe wenden können, damit wir frühzeitig reagieren und größeren Schaden vermeiden können“, erklärt Krisenberater Michael Storch, der hauptberuflich selbst an der Christophorusschule unterrichtet.

Ständig auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen
Als Fachdienst der BRK-Bereitschaften muss die Psychosoziale Notfallversorgung speziell bei Großschadenlagen nicht auf Helfer aus den Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG´n) zurückgreifen, sondern ist autark einsatzbereit. Dadurch arbeiten die Krisenberater selbständig und binden keine Sanitäter, die sich um die Verletzten kümmern müssen. Da der KID einen flächenmäßig großen Bereich abdecken muss, ist es auf die Mitarbeit vieler Helfer angewiesen. „Wer sich für diese wichtige, ehrenamtliche Aufgabe im BRK interessiert, kann sich bei Helmut Langosch unter der Telefonnummer +49 (0)175 1586874 informieren“, erklärt sein Stellvertreter Michael Storch.

Von den ersten Gehversuchen zur Institution
„Mit dem KID können wir den Menschen unmittelbar helfen und dazu beitragen, dass seelische Langzeitschäden ausbleiben“, erklärt Langosch, der als Vorreiter in der Region mit seinem Projekt eine Lücke geschlossen hat. Als er als Pionier vor zwölf Jahren seine ersten Gehversuche machte, riefen die Einsatzkräfte noch Tag und Nacht bei ihm persönlich am Handy an, wenn Betroffene oder Angehörige von schwer Verletzten oder Verstorbenen akut psychische Erste Hilfe brauchten – KID war für die meisten damals noch ein Fremdwort und die „Psychosanis“ wurden oft als Exoten belächelt. Heute, rund 1.000 Einsätze und einige tausend betreute Menschen später, ist der Dienst längst institutionalisiert und die Ausbildung standardisiert: Die derzeit 28 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Psychosozialen Notfallversorgung des Roten Kreuzes werden von der Leitstelle Traunstein alarmiert und KID, aber auch Critical-Incident-Stress-Management (CISM), die Hilfe für die Helfer, gehören bei schweren Einsätzen so selbstverständlich mit dazu wie Notarzt, Rettungsdienst oder Feuerwehr.

Wir therapieren nicht, sondern bauen Brücken
„Wenn ein psychiatrischer Notfall oder Selbstmordgefahr vorliegen, dann hören unsere Kompetenzen auf“, erklärt der erfahrene Sanitäter Langosch, der hauptberuflich als Rettungsassistent des Roten Kreuzes in Berchtesgaden arbeitet. Die Krisenberater machen keine Therapie; sie leisten Soforthilfe und bauen Brücken, die dem Traumatisierten Orientierung geben und zum selbstständigen Handeln zurückführen. Da jeder Betroffene anders reagiert, gibt es kein Patentrezept zur Krisenintervention. Lediglich besondere Einsatzlagen wie der plötzliche Kindstod oder schwere Unfälle erfordern eine besondere Ausbildung und Sensibilisierung der Helfer.

Grundlagen PSNV, Krisenintervention & Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen
Unter dem Oberbegriff Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) bieten die BRK-Bereitschaften derzeit drei verschiedene Leistungen an: Die Grundlagen PSNV sollen möglichst bald nach dem traumatischen Ereignis beginnen und das therapiefreie Intervall von rund 30 Minuten bis zum Eintreffen geeigneter Fachkräfte überbrücken. Diese grundlegende psychische Erste Hilfe kann nach einem Wochenendlehrgang jeder Ersthelfer und jede Einsatzkraft anwenden.

Krisenintervention beginnt ebenfalls möglichst während oder kurz nach einem Notfallereignis; die Krisenberater sind durchschnittlich zwei bis vier Stunden im Einsatz und stellen die Weichen für den weiteren psychischen Werdegang des Betroffenen, zielen also auf Nachhaltigkeit ab. Die speziell geschulten Krisenberater haben eine längere Ausbildung und ein Praktikum an der Seite eines erfahrenen Kollegen durchlaufen.

Critical Incident Stress Management (CISM) oder Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE) ist eine speziell auf traumatisierte Einsatzkräfte zugeschnittene Betreuung. CISM bedeutet hauptsächlich Prävention, um Helfern konkrete Anleitungen zur kompetenten Selbsthilfe innerhalb ihrer Einsatzorganisation zu geben.

Krisenberater müssen seelische Last abbauen
Damit die Ehrenamtlichen ihre Erlebnisse bei der Betreuung von Angehörigen und Betroffenen besser verarbeiten können, finden vierteljährlich verpflichtend so genannte Supervisionen statt, bei denen ein neutraler Psychologe den Freiwilligen in Gruppengesprächen hilft, ihre seelische Last nach schweren Einsätzen abzubauen. „Qualität zählt in der Krisenintervention mehr als Quantität, zumal es um einen extrem sensiblen Arbeitsbereich geht, der die Intimsphäre und das Privatleben der Menschen tangiert; ohne ausreichend Erfahrung könnten die Helfer hier viel kaputtmachen“, erklärt Langosch. Der ehrenamtliche Fachdienstleiter wünscht sich für die Zukunft, dass sich weitere Aktive aus den BRK-Gemeinschaften finden, um im KID mitzuarbeiten: „Wir segeln unter der Fahne des Roten Kreuzes und brauchen Mitarbeiter, die sich in der Hilfsorganisation gut auskennen.

Pressemitteilung BRK BGL

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