Im unteren Klausbachtal, in relativer Nähe zur Informationsstelle, hat die Nationalparkverwaltung einen Themenweg mit sechs Stationen zum Thema Aas aufgestellt. Eine besondere Attraktion ist die Auslegung eines Kadavers.
Es wimmelt, wuselt, flattert und brummt. Tausende kleiner, weißgelber Maden ringen am und im Kadaver um die besten Plätze auf der Suche nach einem Maulvoll Aas. Ein Mohrenfalter tupft mit seinem Rüssel Salze und andere Nährstoffe von der Haut des toten Rehs. Aaskäfer legen unzählige Eier ab und Wespen erbeuten fleißig Käferlarven. Es ist eine friedliche, wenn auch etwas ungewöhnlich anmutende Szenerie. Der Körper des toten Rehbocks ist übersät von Millionen Lebewesen und der Kreislauf des Lebens beginnt unzählige Male von Neuem.
Für Sina Greiner, Aasforscherin im Nationalpark Berchtesgaden, ist der Anblick nichts Ungewöhnliches und auch der intensive, süßlich-beißende Geruch ist ihr bestens vertraut. „Aas ist unglaublich faszinierend, es ist ein Hotspot des Lebens. Hier ist alles aufeinander abgestimmt, jedes Lebewesen hat seine Aufgabe zu einer ganz bestimmten Zeit an einem ganz bestimmten Ort. Und das alles auf so kleiner Fläche. Man kann sehen, riechen und sogar hören, wie hier in jeder Sekunde aus dem Tod neues Leben entsteht“.
Der Nationalpark Berchtesgaden erforscht zusammen mit 14 weiteren Nationalparks in Deutschland, wie Aas in verschiedenen Ökosystemen von Wirbeltieren, Insekten und Mikroorganismen genutzt wird. Im Rahmen des Projektes wird wissenschaftlich erhoben, welche Arten an Kadavern zu finden sind. Große Aasfresser werden mit Fotofallen, Insekten mittels Barberfallen, Pilze und Bakterien über Abstriche erfasst und genetisch analysiert. Das Projekt läuft noch bis 2025. Vergleichbar mit der Forschung zur Bedeutung von Totholz in Waldökosystemen wird nun der Frage nachgegangen: Welche Rolle spielen die sterblichen Überreste von Tieren für das Ökosystem? Damit wird der Prozessschutz in Nationalparks um einen wichtigen Aspekt erweitert.
Für die Aasforscherin im Nationalpark Berchtesgaden geht die Forschung allein nicht weit genug. Sina Greiner möchte ihre Begeisterung für das gewöhnungsbedürftige Thema mit allen Gästen des Schutzgebiets teilen. „Der anfängliche Ekel und die Zurückhaltung sind schnell verflogen, wenn sie sehen, was hier unglaublich Spannendes passiert“, lacht Greiner. Um interessierten Besuchern die Möglichkeit zu geben, das Thema genauer kennen zu lernen und sogar Aas live zu erleben, hat die Nationalparkverwaltung im Klausbachtal einen neuen Themenweg errichtet. Auf dem Wanderweg von der Informationsstelle „Klausbachhaus“ bis hinauf zur Halsalm informieren großformatige Tafeln an sechs Stationen über das Projekt und die unterschiedlichen Aasnutzer, zu denen auch der Bartgeier zählt. Dieser steht als Verwerter der Knochen ganz am Ende der Nahrungskette. Die neu eingerichtete Besucherstation „Tod und Leben“ liegt im unteren Teil des Themenweges, rund 15 Minuten Gehzeit entfernt von der Infostelle. Je nach Witterung und Zersetzungszustand legt die Aasforscherin hier von Frühjahr bis Herbst alle vier bis acht Wochen einen neuen Kadaver aus. Den Zeitpunkt des Auslegens dokumentiert sie auf der Infotafel direkt vor Ort. Die Tiere stammen überwiegend aus Verkehrsunfällen im Umfeld des Nationalparks. „An der Station kann man das Werden und Vergehen mit allen Sinnen erleben. Nur Anfassen sollten man den Kadaver aus hygienischen Gründen bitte nicht“, erklärt Greiner.
Unter https://www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de/infostellen/einrichtungen/aasoekologie/index.htm gibt es Informationen zum neuen Themenweg „Aasökologie“. Im Rahmen der kostenfreien Führung „Im Tal der Adler und Geier“ jeweils donnerstags von 10:00 bis 13:30 Uhr wird bei Interesse auch die neue Besucherstation „Tod und Leben“ besucht. Eine Anmeldung ist über die Webseite des Nationalparks möglich.
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