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Der Kreisgartenfachberater informiert: Tag der Hängematte im Berchtesgadener Land

Am 22. Juli ist der internationale Tag der Hängematte: In Zeiten wie diesen ein Tag wie geschaffen dafür, ein wenig innezuhalten, sich zu entspannen und die Natur um uns herum zu genießen. Einer der besten Orte für eine solch gelungene Auszeit kann natürlich der eigene Garten sein: Leicht zu erreichen und mit allem ausgestattet, was für einen Tag der Entspannung benötigt wird. Wer dabei keinen eigenen Garten hat, der findet in vielen wunderschönen öffentlichen Parks und Grünflächen in unserer Heimat schattige Plätze unter Bäumen, sonnenverwöhnte Wiesen oder Erfrischung an Bächen und Seen. In unseren Städten schaffen zudem engagierte „Urban-Gardening-Initiativen“ auch Begegnungsorte für gemeinsames Gärtnern, Ernten, Verarbeiten und Genießen.

Den „Tag der Hängematte“ als Symbol für die vielen Möglichkeiten, die uns unsere grünen Oasen bieten, haben die Bayerische Gartenakademie, diverse Garteninitiativen sowie der Kreisgartenfachberater gewählt, um in den unterschiedlichen Regionen „Gartenbotschafter“ in der Hängematte zu interviewen. So wurde für das Berchtesgadener Land Sepp Heringer befragt, „Gartenphilosoph“ und Organisator des Weltgartens in Laufen. Interviewpartner war der heimische Kreisfachberater für Gartenbau und Landschaftspflege, Sepp Stein, den vor allem die persönlichen Vorlieben für das Gestalten sowie Lieblingsorte in der Region interessierten. Weitere Interviews mit Gartenbotschaftern aus ganz Bayern sind unter www.gaerten.bayern.de zu finden.


Interview des Kreisgartenfachberaters Sepp Stein mit Sepp Heringer:

Sepp Stein: Wann haben Sie Ihre Liebe zum Garten entdeckt? War das immer schon eine Herzensangelegenheit?

Sepp Heringer: Mein erster Bezug zum Garten war ein kleines Beet, das war noch als kleiner Bub in der Kriegszeit. Da hat mir meine Mutter gesagt: „Sepp, bau wos oh, und für jeds Radieserl griagst an Pfenning“. Da habe ich natürlich gleich losgelegt und das war der Einstieg in den Gartenbau. Später habe ich dann Stauden- und Landschaftsgärtner gelernt. Nach ein paar Lehr- und Wanderjahren in Europa habe ich in Weihenstephan Obst- und Gemüsebau studiert. Nach einer Zeit wurde mir das aber unangenehm. Die ganze Begifterei, der Umgang mit Herbiziden, den ich von der Pike auf lernte, wurde mir zu viel. Irgendwann ist mir aufgegangen – das stimmt so nicht.

In den frühen 60er Jahren habe ich deshalb fast meinen Beruf aufgegeben. Aber dann wurde ein neuer Studiengang an der Technischen Universität München eingeführt: „Landschaftsökologie“. Was ist denn das, Landschaftsökologie…aja, da geht es um den großen Garten der Natur. Damals kannte kaum jemand das Wort Ökologie. Mir hat es den Blick geöffnet, dass ich diese Welt am besten als Garten sehe - das ist bis heute für mich Weltanschauung und Lebensinhalt geblieben: Dieser Garten, den man pflegen muss, der produktiv ist, der seine eigenen Gesetze hat und man tut gut daran, sich diesen Gartengesetzen zu unterwerfen. Man kann mitspielen, aber man muss wissen, wer hinter all diesen Naturgesetzen steht.

Und diese Gesetze habe ich dann 28 Jahre an der Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen gelehrt und versucht umzusetzen. Wir waren damals als „Kind“ des ersten deutschen und bayerischen Umweltministeriums in einer Aufbruchsinstitution, deren Ziel es war, alle die einzelnen Sektoren wie Forst, Landwirtschaft, Naturschutz vernetzt unter ein Dach zu bringen.

Sepp Stein: Sie sind als Gartenbotschafter auserkoren worden. Würden Sie sich denn selbst so bezeichnen?

Sepp Heringer: Ja, sehr wohl. „Die Welt wird Garten – oder sie wird Schlachtfeld“. Das heißt, wir müssen die Erde kultivieren, sonst endet die Menschheit im Krieg. Denn der Krieg ist die Summe des Kriegen-Wollens von Bodenschätzen, Wasser und neuerdings wieder verstärkt von fruchtbarem Land. Das will ich nicht. Zumal als Kriegskind setze ich mich für den Frieden, also für den Garten ein. Im Garten kann aus wenig viel gemacht werden, auch viel Lebensfreude – gerade in Corona-Zeiten.

Sepp Stein: Wir sind ja hier im Weltgarten in Laufen. Können Sie mir bitte erklären, was einen Weltgarten ausmacht und wie er entstanden ist?

Sepp Heringer: Unsere ganzen gärtnerischen Kulturpflanzen haben Migrationshintergrund. Wir sammeln in unseren Gärten gewissermaßen die besten Ergebnisse aus allen Kulturen weltweit. Daher setzte ich mir die Aufgabe, den neuen Heimatsuchenden, seien es Geflüchtete, Migranten oder auch städtisch aufgewachte „Grünsucher“, zu helfen, sich hier über die Arbeit im Garten zu verwurzeln. Dies gemäß dem schönen Spruch: „Die Erde ist ein Stern und dieser Stern ist uns gegeben, dass wir ihn aus Ödnis, Wildnis, in den Glanz des Gartens heben“. Diese Veredelung, die dem Menschen im Garten zuteilwird, wenn er sich selbst und die Pflanzen pflegt, ist ein Nährboden für ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben. Ein wechselseitiges Erfolgreichmachen ist gerade jetzt so wichtig, da die Migration, zumal seit 2015, stark in Gang gekommen ist und aufgrund der Klimaprobleme noch stärker werden wird.

Zunächst hatte ich Parzellen von dem von mir gepachteten Stadtgrund vorwiegend an Mitbürger, größtenteils Mütter aus der Stadt, gegeben, die mit den Kindern am Spielplatz sind. Ab 2015 wurde der Garten dann internationaler, weil ich mir gedacht habe: „Gibst ihnen die Möglichkeit, dass sie hier wurzeln, also im wahrsten Sinne des Wortes, und nicht bloß die Hände aufhalten müssen, um zu sich versorgen“. Sie sollen selbst Würde und Selbstbewusstsein kultivieren können mit dem was sie anbauen und erzeugen. Im Weiteren muss es darum gehen wechselseitig Angst abzubauen und dass man den Leuten allenthalben hilft, Heimat zu finden und Wurzeln zu schlagen. Gärten können Frieden stiften, das wusste schon der alte Philosoph Epikur, wenn er sagt: “Aus dem kleinen Freundeskreis des Gartens erwächst die Fähigkeit zur Freundschaft mit der Welt!“

Sepp Stein: Und wie viele Gärtner aus wie vielen Nationen garteln dann jetzt im Weltgarten?

Sepp Heringer: Mittlerweile sind es 10 Nationen, die sich hier umtun aus Deutschland, Österreich, Afghanistan, USA, Russland, Frankreich, Nigeria, Eritrea, Syrien, Türkei, und so weiter. Wobei es so ist, dass ich, je nach der gärtnerischen Fähigkeit und der Pflegeintensität der einzelnen Gartler, die Parzellen kleiner oder größer mache. Raum ist hier zu kostbar, als dass man die Gartenfläche bloß „verdämmern“ lässt.

Sepp Stein: Haben Sie als erfahrener Gärtner auch etwas von den Weltgartlern gelernt oder neue Kulturen erfahren?

Sepp Heringer: Ja, der Said, ein Afghane, der baut auf seiner Parzelle „Gandana“, eine Sonderform der Schnittzwiebel an. Ich bin zwar selbst kein großer Zwiebelfreund, aber es scheint eine echte Entdeckung zu sein. Die Samen hat er aus seiner Heimat mitgebracht. Es gibt diese Zwiebel-Sonderform bei uns so nicht zu kaufen und so gärtnert er hier sehr fleißig und versorgt in Laufen die afghanische Community mit diesem Gandana.

Sepp Stein: Pflegen und gestalten ist ja ein wichtiges Stichwort beim Gartln. Aber es geht auch genauso darum, den Garten zu genießen. Wie und wo können Sie am besten im Garten Entspannen und Natur genießen?

Sepp Heringer: Wenn ich beispielsweise hier auf dieser Gartenhaus-Veranda sitze, ein Buch lese, oder wenn wir Musik machen, ist das Genuss pur. Wir hatten hier schon feine kleine Gartenkonzerte, also Erntedankfeste, mit all diesen unterschiedlichen Kulturen, mit Lagerfeuer, usw. zelebriert, so dass man sich selbst, die Natur und die Menschen zum Klingen bringen kann. Und Mai-Pfeiferl und Rindenhörner mit den Kindern basteln, das macht Freude und entspannt. Es erwacht Gartenzauber, denn es „schläft ein Lied in allen Dingen, die da leben fort und fort. Und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort“ (Eichendorf).

Sepp Stein: Gibt es Gärten in der Region, die Sie Besuchern empfehlen können?

Sepp Heringer: Natürlich, zunächst mal empfehle ich natürlich unseren Weltgarten, der ja verbunden ist mit dem zentralen städtischen Kinderspielplatz, ohne Zaunabriegelung. Was ich einem Besucher auch weiter gern zeigen würde, ist der Garten vom Bio-Michi in Kirchanschöring. Generell, der gesamte Ortsraum ist dort gartenhaft. Die Gemeinde hat ja auch eine Goldmedaille beim Ortswettbewerb „unser Dorf hat Zukunft“ erhalten.

Der Gmias-Michi nun betreibt auf einem relativ steinigen Grundmoränenbereich und kleiner Fläche - von nur ein paar Hektar Land - beste Agrokultur, die er aber optimal für Feldgemüsebau in Verbindung mit ein paar Rindern nutzt. Gerade vor dem Hintergrund einer globalen Pandemie wäre es wichtig, nicht nach Bauplätzen, sondern nach Gartenplätzen zu suchen, wo wir uns aus der Nähe mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen können. Wo man die Erzeuger persönlich trifft, wo man Gartenkultur bei einem Spaziergang live erlebt und man sich am Ende beim Einkauf mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln versorgen kann. Dieser Umbau der Landwirtschaft zu einer gartenorientierten Agrarkultur wäre bei uns dringen notwendig. Dann haben auch kleinere Bauern gute Zukunftschancen und können Milchwirtschaft, Getreide-, Feldgemüse-, Obstbau betreiben und gleichzeitig noch Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. Die Kunst des Bäuerlich-Gärtnerischen inszenieren und den Gästen im Verbund servieren, lässt aus Urproduktion Zukunftsproduktion werden.

Sepp Stein: Wenn Sie ab morgen Ihr Leben als Pflanze weiterleben müssten, welche wären Sie dann?

Sepp Heringer: Ich wäre ein Apfelbaum. Ich bin im Juni geboren in der Mitte des Jahres und das ist ja auch der letzte Zeitpunkt, an dem man einen Apfelbaum veredeln kann. Der Apfelbaum liefert Holz, er liefert Früchte, Schatten und er ist eine Kulturbrücke. Seine Urheimat ist das Altaigebirge im zentralasiatischen Raum. Von dort ist er dann mit den alten Persern, Griechen und den Römern zu uns gekommen. Außerdem ist er auch das Symbol für den Weltapfel.

Sepp Stein: Zum Schluss: Haben Sie einen wichtigen Tipp an all die Gartler da draußen, besonders an die Gartenanfänger, wie man seinen Garten am besten genießen kann?

Sepp Heringer: Ich würde sagen, mit den Worten von Phil Bosmans: „Wer mit Bäumen reden kann, braucht keinen Psychiater, bloß meinen jene, das Gegenteil sei der Fall“. Das heißt: Mit Pflanzen liebevoll umgehen, mit Umsicht Wachstum spielerisch fördern und nicht mit Giften, mit Verdrängen und Ärger an die Gartenarbeit gehen. Es gilt sich mit möglichst vielem zu befreunden und nicht sein wie die Leute, die sich aufregen, wenn sie in ihrem Rasen Löwenzahn, Gänseblümchen oder anderes entdecken. Sie laufen Gefahr, „Rasisten“ mit einem „s“ zu werden. Wir brauchen genau das Gegenteil, wir sollten die Buntheit und Biodiversität fördern und keine Monokultur begünstigen. Es gilt, mit Liebe all das heraus zu kitzeln, was in diesem wunderbaren Erdapfel drinsteckt und den kleinen Wurm, der in ihm steckt, zu übersehen.

red/Pressemitteilung LRA BGL
Bild © LRA BGL/Sepp Stein
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